RVaktuell - Fachzeitschrift und amtliche Mitteilungen
RVaktuell - Fachzeitschrift und amtliche Mitteilungen der Deutschen Rentenversicherung

20 Jahre Rentensplitting in der gesetzlichen Rentenversicherung – Ein unterschätztes Instrument für mehr Rentengleichheit zwischen Frauen und Männern

RVaktuell 1/2022
Seit nunmehr 20 Jahren existiert das Rentensplitting in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV). Zum 1.1.2002 eingeführt, ermöglicht es den Ehegatten, Anrechte der gesetzlichen RV ohne Ehescheidung solidarisch untereinander aufzuteilen. Seither wurden die Grundzüge des Rentensplittings nicht wesentlich verändert. Hat sich das Rentensplitting in den letzten 20 Jahren also bewährt? Die Antwort lautet weder „ja“ noch „nein“. Das Rentensplitting bietet Vorteile, hat aber auch Nachteile. Die berühmten zwei Seiten einer Medaille finden sich auch hier. Der Beitrag beleuchtet das Rentensplitting, das in der Praxis eher ein Schattendasein führt.
Marcel Schürer ist Mitarbeiter im Referat Rentenrecht (Inland)/Abt. Grundsatz der Deutschen Rentenversicherung Bund.

1. Hintergrund und Einordnung 1 1 Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (AVmEG) vom 21.3.2001 (BGBl. I S. 403).

Im Zuge der Reform zur Stabilisierung des Beitragssatzes in der gesetzlichen RV und der Förderung kapitalgedeckter Altersvorsorgevermögen wurde das Rentensplitting in der gesetzlichen RV zum 1.1.2002 eingeführt. Formuliertes Ziel des Rentensplittings war es, die Alterssicherung von Frauen zu verbessern und ihnen eigenständige Rentenanrechte ohne abgeleitete Elemente zu garantieren 2 2 BT-Drucks. 14/4595, S. 37. . Es ging dabei auch darum, Altersarmut insbesondere von Frauen zu vermeiden. Das Instrument eines Rentensplittings schien zum Erreichen dieser Ziele am geeignetsten.

Rentensplitting – abgeleitet aus dem Englischen „to split“ – bedeutet die Aufteilung von Rentenanwartschaften. Doch Rentenanwartschaften lassen sich nicht so ohne weiteres aufteilen. Sie sind eigentumsrechtlich geschützt 3 3 BVerfG, Urteil vom 28.2.1980, AZ: 1 BvL 17/77, BVerfGE 53, 257 ff. und einer freien Disposition nur sehr eingeschränkt zugänglich 4 4 Vgl. §§ 32, 46 Abs. 2 SGB I. . Die Aufteilung von Rentenanwartschaften ist jedoch im Rahmen eines Versorgungsausgleichs bei der Ehescheidung verfassungsgemäß 5 5 BVerfG, Urteil vom 28.2.1980, AZ: 1 BvL 17/77, BVerfGE 53, 257 ff. und damit möglich. Der Gesetzgeber hat sich daher dazu entschlossen, das Rentensplitting an den Versorgungsausgleich anzulehnen. Er hat Regelungen geschaffen, die eine verfassungskonforme Durchführung des Rentensplittings erlauben.

Die Ehe wird dabei als wirtschaftliche Einheit betrachtet, bei der eine partnerschaftliche Teilung von Rentenanrechten grundsätzlich nicht zu Lasten Dritter geht. Das Rentensplitting ist daher zunächst auf Ehen beschränkt worden 6 6 Der berechtigte Personenkreis ist später auf eingetragene Lebenspartnerschaften erweitert worden. . Den Ehegatten 7 7 Soweit im Folgenden von Ehegatten gesprochen wird, gelten die Ausführungen gleichermaßen für Lebenspartner in eingetragenen Lebenspartnerschaften.   wird mit dem Rentensplitting die Möglichkeit eingeräumt, die in einem definierten Zeitraum (Splittingzeit) erworbenen Rentenanwartschaften auf freiwilliger Basis partnerschaftlich untereinander aufzuteilen. Anders als beim Versorgungsausgleich, sind in das Rentensplitting jedoch nur die dynamischen Anwartschaften der gesetzlichen RV einbezogen.

Die Rechtsfolgen des Rentensplittings sind denen, wie sie sich aus einer Ehescheidung mit Durchführung eines Versorgungsausgleichs ergeben, ähnlich, wie z.B. der Erwerb eigenständiger Anwartschaften oder der Wegfall des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente.

Der Beitrag stellt kurz die gesetzlichen Grundlagen des Rentensplittings dar, beleuchtet Vor- und Nachteile, benennt seine Potentiale und wirft einen Blick über die Landesgrenze. Er setzt sich aber auch kritisch mit dem Rentensplitting in seiner jetzigen Form auseinander und erläutert so – das sei bereits vorweg genommen –, weshalb das Rentensplitting bei den Berechtigten so wenig Anklang findet. Darüber hinaus werden Alternativen aufgezeigt, wie das Rentensplitting zukünftig ausgestaltet werden könnte, um der eingangs genannten gesetzgeberischen Intention besser gerecht zu werden.

2. Gesetzliche Regelungen

Die Grundsätze, nach denen ein Rentensplitting möglich ist, sind in § 120a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) enthalten. Hiernach können die Ehegatten gemeinsam bestimmen, dass die von ihnen in der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften untereinander aufgeteilt werden sollen (§ 120a Abs. 1 SGB VI). Es bedarf also einer gemeinsamen Erklärung der Ehegatten gegenüber dem zuständigen Rentenversicherungsträger (RV-Träger), das Rentensplitting durchführen zu wollen.

Möglich ist ein Rentensplitting aber nur für Ehen, die nach dem 31.12.2001 geschlossen worden sind oder, wenn die Ehe am 31.12.2001 bereits bestand, beide Ehegatten nach dem 1.1.1962 geboren sind. Der Anspruch auf Durchführung eines Rentensplittings besteht erst, wenn beide Ehegatten erstmalig nach Ablauf des Monats des Erreichens der Regelaltersgrenze Anspruch auf Leistung einer Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen RV haben (§ 120a Abs. 3 Nr. 1 SGB VI) oder erstmalig ein Ehegatte nach Ablauf des Monats des Erreichens der Regelaltersgrenze Anspruch auf Leistung einer Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat und der andere Ehegatte die Regelaltersgrenze erreicht hat (§ 120a Abs. 3 Nr. 2 SGB VI). Die letztgenannte Alternative dürfte in der Praxis allerdings so gut wie gar nicht vorkommen.

Darüber hinaus kann ein überlebender Ehegatte das Rentensplitting auch allein herbeiführen, wenn ein Ehegatte verstirbt, bevor die Voraussetzungen des § 120a Abs. 3 Nr. 1 oder 2 SGB VI vorliegen (§ 120a Abs. 3 Nr. 3 SGB VI). Hat der überlebende Ehegatte bereits eine Rentenabfindung erhalten, ist das Rentensplitting jedoch nicht mehr möglich (§ 120a Abs. 5 SGB VI).

Des Weiteren müssen die Ehegatten am Ende der Splittingzeit jeweils 25 Jahre an rentenrechtlichen Zeiten gem. § 54 SGB VI vorweisen (§ 120a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB VI). Angerechnet werden hier auch rentenrechtliche Zeiten, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in Abkommensstaaten zurückgelegt wurden, wenn mindestens ein deutscher Beitrag vorhanden ist. Hat der überlebende Ehegatte diese Voraussetzung bis zum Tod des anderen Ehegatten nicht erfüllt, werden für ihn rentenrechtliche Zeiten bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze des verstorbenen Ehegatten nach Maßgabe des § 120a Abs. 4 S. 2 SGB VI fingiert.

Aufgeteilt werden können nur Rentenanwartschaften, die in der Splittingzeit erworben wurden. Diese umfasst den Zeitraum vom Beginn des Monats der Eheschließung bis zum Ende des Monats, in dem der Anspruch auf Splitting entstanden ist (§ 120a Abs. 6 SGB VI). Zu welchem Zeitpunkt der Anspruch entsteht, ergibt sich aus § 120a Abs. 3 SGB VI.

Der Ehegatte mit den niedrigeren Entgeltpunkten in der Splittingzeit erhält einen Splittingzuwachs. Der Splittingzuwachs beträgt die Hälfte der Differenz zwischen den jeweiligen Entgeltpunkten der Ehegatten in der Splittingzeit (§ 120a Abs. 8 SGB VI). Die §§ 120b bis 120d SGB VI enthalten Regelungen zur „Rückgängigmachung“ des Rentensplittings in Härtefällen (§ 120b SGB VI), zur Abänderung des Rentensplittings (§ 120c SGB VI) und zum Verfahren und zur Zuständigkeit (§ 120d SGB VI). § 120e SGB VI bestimmt, dass das Rentensplitting nach den bestehenden Regelungen auch für eingetragene Lebenspartnerschaften möglich ist. Nach Durchführung des Rentensplittings ergeben sich für den Ehegatten mit einem Splittingzuwachs zusätzliche Wartezeitmonate (§ 52 Abs. 1a SGB VI).

Eine weitere – und für die Ehegatten zugleich einschneidende – Rechtsfolge eines bestandskräftig durchgeführten Rentensplittings ist der Wegfall des Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente 8 8 Gemeint sind stets die Ansprüche auf Witwen- oder Witwerrenten. Ein Waisenrentenanspruch kann zwischen Ehegatten nicht entstehen. (§ 46 Abs. 2b SGB VI).

Seit seiner Einführung zum 1.1.2002 blieben die grundlegenden Voraussetzungen für die Durchführung des Rentensplittings bis heute gleich. Es wurden lediglich kleinere Änderungen und Anpassungen vorgenommen. So ist das Rentensplitting seit dem 1.1.2005 auch bei eingetragenen Lebenspartnerschaften möglich 9 9 Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts (LPartÜG) vom 15.12.2004 (BGBl. I S. 3396). . Weiterhin wurden zum 1.1.2008 Verfahrens- und Zuständigkeitsregelungen 10 10 Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20.4.2007 (BGBl. I S. 554). . eingeführt, insbesondere die Erklärungsfristen für das Rentensplitting zwischen lebenden Ehegatten konkretisiert sowie die Frist zur Abgabe der Erklärung des überlebenden Ehegatten für die Durchführung des Rentensplittings auf 12 Monate nach dem Tod des anderen Ehegatten beschränkt. Die einschränkende Frist für den überlebenden Ehegatten gilt jedoch nur, wenn der andere Ehegatte nach dem 31.12.2007 verstorben ist.

Anpassungen erfolgten insbesondere im Zuge des Flexirentengesetzes zum 1.1.2017 11 11 Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz) vom 8.12.2016 (BGBl. I S. 2838). . Der Anspruch auf Rentensplitting entsteht seitdem nicht mehr frühestens bei Bezug einer Vollrente wegen Alters beider Ehegatten, sondern erst, wenn beide Ehegatten die Regelaltersgrenze erreicht haben und zumindest ein Ehegatte eine Vollrente wegen Alters der gesetzlichen RV bezieht.

3. Vorteile und Nachteile des Rentensplittings

Der größte Vorteil des Rentensplittings ist der Erwerb eigenständiger Anwartschaften der gesetzlichen RV, die nicht wie im Fall der Hinterbliebenenrente bei Wiederheirat entfallen. Da die eigenen Rentenansprüche nicht der Einkommensanrechnung nach § 97 SGB VI unterliegen, werden sie durch eigene Einkünfte nach Erreichen der Regelaltersgrenze auch nicht geschmälert. Das entspricht der gesetzgeberischen Intention 12 12 BT-Drucks. 14/4595, S. 42, 52. .

Des Weiteren werden aus dem Splittingzuwachs gem. § 52 Abs. 1a SGB VI zusätzliche Wartezeitmonate ermittelt, was zur Erfüllung von Wartezeiten, z.B. für vorgezogene Altersrenten oder für Waisenrenten, führen kann. Davon profitieren können wegen der Altersvoraussetzung für das Rentensplitting unter lebenden Ehegatten allerdings nur überlebende Ehegatten, die nach dem Tod des anderen Ehegatten das Rentensplitting allein herbeigeführt haben.

Dem Grunde nach vorteilhaft ist weiterhin, dass nach Durchführung des Rentensplittings für den überlebenden Ehegatten, der das Rentensplitting allein herbeigeführt hat und Kinder erzieht, ein Anspruch auf Erziehungsrente entsteht (§ 47 Abs. 3 SGB VI).

Das Rentensplitting ist aber auch mit Nachteilen behaftet. Aus Sicht der Betroffenen ist der vollständige Verlust des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente nach Durchführung eines Rentensplittings für alle überlebenden Ehegatten sicherlich der größte Nachteil. Da das Rentensplitting auf die Splittingzeit begrenzt ist, ergibt sich in der Regel eine niedrigere Absicherung als bei einer Hinterbliebenenrente, die aus dem gesamten Versicherungsleben des verstorbenen Ehegatten berechnet wird.

Kritisch kann darüber hinaus die Einbeziehung von Kindererziehungszeiten und Pflegezeiten in das Rentensplitting gesehen werden. Obwohl in diesen Zeiten unbezahlte Betreuung bzw. Pflege geleistet wurde, werden die daraus resultierenden Anwartschaften, wie Beitragszeiten aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung oder Tätigkeit, in das Rentensplitting einbezogen und saldiert.

In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass mit der verbesserten Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung bzw. der Pflege 13 13 Pflegearbeit wird bekanntermaßen hauptsächlich von Frauen erbracht. S. „Altersarmut von Frauen durch häusliche Pflege“, Gutachten SoVD aus 10/2019, www.sovd.de/fileadmin/bundesverband/pdf/broschueren/pflege/SoVD_Gutachten_Altersarmut_Frauen2019.pdf, letzter Zugriff am 10.11.2021. und mit steigender Erwerbsquote von Frauen 14 14 Die Erwerbsquote von Frauen ist in den letzten 15 Jahren um mehr als zehn Prozent auf 71,9 % gestiegen, s. Website Statistisches Bundesamt unter: www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetigkeit/Tabellen/erwerbstaetigenquoten-gebietsstand-geschlecht-altergruppe-mikrozensus.html, letzter Zugriff am 10.11.2021. die durchschnittliche Differenz zwischen den von den Ehegatten in der Ehe erworbenen Anwartschaften der gesetzlichen RV kleiner wird 15 15 Die Auswirkungen der Einführung der Grundrente auf das Rentensplitting sollen an dieser Stelle nicht thematisiert werden. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass auch die Zuschläge an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung im Rahmen des Rentensplittings geteilt werden können. Dabei verlieren diese ihren Charakter nicht, so dass sie nach der Übertragung weiterhin der Einkommensanrechnung nach § 97a SGB VI unterliegen. . Damit verringern sich auch die im Rahmen des Splittings zu übertragenden Rentenanwartschaften.

Ein weiterer Nachteil ergibt sich aus der Beschränkung des Rentensplittings lediglich auf Anwartschaften der gesetzlichen RV. Die erste Säule der Altersversorgung in Deutschland umfasst aber nicht nur die gesetzliche RV, sondern auch die Beamtenversorgung, die Alterssicherung der Landwirte, die berufsständische Versorgung und die Versorgung der Abgeordneten und der Regierungsmitglieder im Bund und in den Ländern.

4. Für wen lohnt sich das Rentensplitting?

Eine generelle Aussage, für welche Personengruppen sich ein Rentensplitting lohnt, ist nicht möglich. Es kommt hier stets auf die individuellen Lebensumstände der Ehegatten an.

Grundsätzlich lohnt sich ein Rentensplitting immer dann, wenn der begünstigte Ehegatte dadurch existenzsichernde eigenständige Altersrentenansprüche erwirbt und gleichzeitig den Wegfall des Hinterbliebenenrentenanspruchs kompensieren kann. Für Bezieher durchschnittlicher Einkommen ist das allerdings nahezu ausgeschlossen.

Dazu genügt ein einfacher Vergleich der durchschnittlichen Altersrenten von Männern und Frauen im Berichtsjahr 2020. Frauen bezogen im Durchschnitt eine Altersrente in Höhe von 800,28 EUR monatlich; Männer erhielten im Durchschnitt 1 227,39 EUR 16 16 S. Statistikportal der Rentenversicherung unter: https://statistik-rente.de/drv/extern/rente/rentenbestand/, letzter Zugriff am 10.11.2021. . Betrachtet man nun zusätzlich den in der zweiten Jahreshälfte 2020 maßgebenden Freibetrag in Höhe von 902,62 EUR 17 17 Gem. § 97 Abs. 1 SGB VI, 26,4 x 34,19 EUR. , bis zu dem im Fall einer Hinterbliebenenrente keine Einkommensanrechnung stattfindet, wird klar, dass Frauen mit durchschnittlichem Renteneinkommen nach dem Tod des Ehemanns eine Hinterbliebenenrente in voller Höhe zu erwarten hätten. Diese beträgt 55 % 18 18 Rentenartfaktor für große Witwen- und Witwerrenten gemäß § 67 Nr. 6 SGB VI. der durchschnittlichen Altersrente von Männern im Betrachtungszeitraum, mithin also 675,06 EUR. Dagegen können durch das Rentensplitting lediglich 50 % der Differenz der beiderseitigen Rentenanwartschaften in der Splittingzeit erworben werden, was – um beim Beispiel zu bleiben – einen zusätzlichen monatlichen Rentenbetrag von lediglich 213,56 EUR 19 19 (1 227,39 EUR – 800,28 EUR) / 2. bedeutet.

Stirbt die Ehefrau, nachdem das Rentensplitting durchgeführt ist, verbleiben dem überlebenden Ehemann lediglich 1 013,83 EUR 20 20 1 227,39 EUR – 213,56 EUR. monatlich, da ein Anspruch auf Witwerrente nicht mehr besteht. Liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Kürzung durch das Rentensplitting nach § 120b Abs. 1 SGB VI vor, erhält der überlebende Ehemann wieder eine Rente in Höhe des Durchschnitts. Ein Anspruch auf Witwerrente besteht weiterhin nicht.

Unter den gegebenen Umständen lohnt sich ein Rentensplitting unter Ehegatten im Allgemeinen also nicht. Allenfalls dann, wenn feststeht, dass im Fall des Todes des Ehegatten mit den höheren Rentenanwartschaften keine oder wegen der Einkommensanrechnung nur geringe Leistungen aus der Hinterbliebenenrente zu erwarten sind, könnte sich ein Rentensplitting lohnen. Einen Beitrag zur Vermeidung von Altersarmut würde das Rentensplitting in solchen Fällen allerdings nicht leisten, sondern vielmehr das schon hohe Einkommen des überlebenden Ehegatten weiter erhöhen.

Doch auch dann ist das Rentensplitting – und so ehrlich muss man sein – wegen der begrenzten Möglichkeit der „Rückgängigmachung“ (§ 120b SGB VI) 21 21 In Anlehnung an § 37 VersAusglG findet eine Rückgängigmachung nur statt, wenn an den verstorbenen Ehegatten aus dem Rentensplitting nicht länger als 36 Monate Leistungen erbracht worden sind. Hat ein überlebender Ehegatte das Rentensplitting allein herbeigeführt, ist eine Rückgängigmachung gänzlich ausgeschlossen. mehr eine Wette darauf, dass der Ehegatte, der Rentenanwartschaften zugunsten des anderen Ehegatten abgegeben hat, zuerst stirbt.

Denn stirbt der andere Ehegatte zuerst und kommt eine „Rückgängigmachung“ des Rentensplittings nicht in Betracht, hat der überlebende Ehegatten nicht nur den Verlust der eigenen Rentenanwartschaften hinzunehmen, sondern er hat auch keinen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente. Ob damit Altersarmut vermieden werden kann, erscheint zumindest fraglich.

Der eingeschränkte Zugang zum Rentensplitting tut sein Übriges. So ergibt sich für Ehegatten, die die Ehe ab 2002 geschlossen haben, derzeit eine mögliche Splittingzeit von 20 Jahren. Für Ehegatten, deren Ehe vor dem 1.1.2002 geschlossen wurde, ist ein Rentensplitting nur möglich, wenn diese nach dem 1.1.1962 geboren wurden. Für diese Gruppe ist ein Rentensplitting frühestens ab Oktober 2028 möglich. Ob es sich dann auch lohnt, beurteilt sich nach den künftigen Gegebenheiten.

Für überlebende Ehegatten könnte sich ein Rentensplitting dann lohnen, wenn Kinder erzogen werden. Nach Durchführung des Rentensplittings entsteht unter den Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 SGB VI ein Anspruch auf Erziehungsrente. Da aber Erziehungsrenten auf die Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes begrenzt sind 22 22 Mit Ausnahme der in § 46 Abs. 2 Satz 3 SGB VI genannten Kinder. und der Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach Durchführung des Rentensplittings wegfällt, gilt es abzuwägen, ob sich eine ggf. kurzfristige Verbesserung der finanziellen Situation auf Dauer auszahlt. In vielen Fällen dürfte sich eine Hinterbliebenenrente mit erhöhten Freibeträgen bei der Einkommensanrechnung aufgrund der Kindererziehung, kombiniert mit der zu zahlenden (Halb-)Waisenrente, sicherlich mehr rechnen.

Lohnenswert könnte ein Rentensplitting aber sein, wenn ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht gegeben ist, weil der verstorbene Ehegatte die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nicht erfüllt hat. Gibt der überlebende Ehegatte im Rahmen des Rentensplittings Rentenanwartschaften ab und wird aufseiten des verstorbenen Ehegatten durch die zusätzlichen Wartezeitmonate die allgemeine Wartezeit erfüllt, ergibt sich neben dem Anspruch auf Erziehungsrente auch ein – zumeist zwar geringer – Waisenrentenanspruch. Aber auch hier dürfen die langfristigen Folgen nicht unbeachtet bleiben. Denn der überlebende Ehegatte verliert nach der Durchführung des Rentensplittings seine abgegebenen Rentenanwartschaften dauerhaft 23 23 Eine Rückgängigmachung ist in Fällen, in denen der überlebende Ehegatte das Rentensplitting allein herbeigeführt hat, nach § 120b Abs. 1 Satz 2 SGB VI nicht möglich. .

Zusammenfassend zeigt sich, dass (überlebende) Ehegatten, die mit dem Gedanken spielen, ein Rentensplitting durchzuführen, viele Dinge abzuwägen haben. Sie müssen in die Lage versetzt werden, einschätzen zu können, ob sich ein Rentensplitting für die eigene Lebensplanung dauerhaft lohnt. Das bedeutet einen hohen individuellen Beratungsbedarf, dem die RV-Träger nachzukommen haben. Denn einmal durchgeführt, ist es für die Betroffenen nur unter engen Voraussetzungen möglich, ein Rentensplitting „rückabzuwickeln“.

5. Ein kurzer Blick nach draußen

Schaut man sich in Europa um, existieren nur in wenigen Ländern Regelungen, die die Aufteilung von Rentenanwartschaften erlauben. So kommt in Irland, Großbritannien oder den Niederlanden die Aufteilung von Rentenanwartschaften allein im Falle einer Ehescheidung in Betracht.

Unsere südlichen Nachbarn Österreich und die Schweiz kennen hingegen auch Regelungen zum Splitting von Rentenanwartschaften bei bestehender Ehe.

In Österreich ist seit 2005 ein freiwilliges Pensionssplitting möglich, was sich allerdings lediglich auf die Zeit der Kindererziehung beschränkt 24 24 S. Website Österreichische Pensionsversicherungsanstalt unter www.pv.at/cdscontent/?contentid=10007.707755&portal=pvaportal, letzter Zugriff am 10.11.2021. .

Die Schweiz ist noch einen großen Schritt weitergegangen. Neben der Aufteilung der ehezeitlichen Rentenanwartschaften im Falle der Scheidung oder Ungültigerklärung einer Ehe ist das Rentensplitting in der gesetzlichen Alters- und Hinterlassenenversicherung/Invalidenversicherung (AHV/IV) seit 1997 obligatorisch 25 25 Info-Broschüre der AHV/IV „Splitting bei Scheidung“, www.ahv-iv.ch/p/1.02.d, letzter Zugriff am 10.11.2021. . Ein Rentensplitting ohne Ehescheidung wird immer dann vorgenommen, wenn beide Ehegatten Anspruch auf eine Alters- oder Invalidenrente haben oder ein Ehegatte stirbt und der andere Ehegatte bereits eine Rente der Alters- oder Invalidenversicherung bezieht. Liegen die Voraussetzungen für ein Rentensplitting vor, werden die in den Ehejahren von beiden Ehegatten erzielten Einkommen geteilt und bei beiden Ehegatten hälftig angerechnet. Bei einem Rentensplitting unter lebenden Ehegatten erfolgt so eine kostenneutrale Umverteilung der Rentenansprüche, meist zugunsten der Ehefrau. Am Haushaltseinkommen der Ehegatten aus den Renten der AHV/IV ändert sich nichts. Anders als in Deutschland führt das obligatorische Rentensplitting in der Schweiz nicht zum Verlust des Hinterlassenenrentenanspruchs 26 26 Weitere Informationen zur Hinterlassenenversorgung siehe: https://www.ahv-iv.ch/de/Sozialversicherungen/Alters-und-Hinterlassenenversicherung-AHV/Hinterlassenenrenten#qa-799, letzter Zugriff am 10.11.2021. .Witwen- und Witwerrenten aus der AHV betragen 80 % der entsprechenden Alters- oder Invalidenrente des verstorbenen Ehegatten. Bezieht der verwitwete Ehegatte bereits eine Alters- oder Invalidenrente, erhöht sich diese um einen Verwitwetenzuschlag von 20 %. Die so erhöhte eigene Rente wird mit der Witwen- oder Witwenrente verglichen und nur die höhere der beiden Renten gezahlt 27 27 Zur schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversorgung s. auch Broschüre der Deutschen Rentenversicherung „Meine Zeit in der Schweiz – Arbeit und Rente europaweit“, www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/international/europaeische_vereinbarungen/meine_zeit_schweiz.html, letzter Zugriff am 10.11.2021. .

Die seit Einführung des obligatorischen Rentensplittings erzielten Effekte können sich sehen lassen. So gibt es kaum noch geschlechtsspezifische Unterschiede. Mehr noch: Die durchschnittliche AHV-Rente von Frauen betrug im Jahr 2020 monatlich 1 873 CHF und übersteigt damit die AHV-Rente von Männern, die durchschnittlich 1 843 CHF betrug 28 28 Bundesamt für Sozialversicherung BSV, Taschenstatistik 2021, S. 4,
file:///C:/Users/e0056225/AppData/Local/Temp/Sozialversicherungen%20der%20Schweiz%20(Taschenstatistik%202021).pdf, letzter Zugriff am 10.11.2021.
. Der Unterschied lässt sich allerdings nicht allein mit dem Rentensplitting begründen, sondern ergibt sich auch aufgrund zusätzlicher Erziehungs- und Betreuungsgutschriften sowie des Verwitwetenrentenzuschlags.

So gering die Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der ersten Säule der schweizerischen Altersvorsorge sind, so groß sind sie nach wie vor in der beruflichen Vorsorge. Hier erhalten Frauen im Durchschnitt gerade einmal die Hälfte dessen, was Männer bekommen, was zu Überlegungen geführt hat, das Rentensplitting auch in der zweiten Säule einzuführen 29 29 www.nzz.ch/wirtschaft/kontroverse-um-renten-splitting-fuer-ehepaare-ld.1533767, letzter Zugriff am 10.11.2021. . Allerdings wurde dieser Vorschlag bei der kürzlich verabschiedeten Reform der beruflichen Vorsorge nicht berücksichtigt 30 30 Zum Stand der Reform s. Website des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV), https://www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/bv/reformen-und-revisionen.html, letzter Zugriff 10.11.2021. .

6. Wie weiter?

Das Rentensplitting ist, wie das Beispiel Schweiz eindrucksvoll belegt, durchaus geeignet, der gesetzgeberischen Intention der Schaffung eigenständiger Altersvorsorgeanrechte zu entsprechen und Altersarmut insbesondere von Frauen wirksam zu begegnen.

Dass das Rentensplitting in seiner jetzigen Form doch noch zu einem Erfolgsschlager wird, wenn die nach dem 1.1.1962 Geborenen die Regelaltersgrenze erreicht haben, darf aber bezweifelt werden.

Die Gründe sind vor allem die seit Jahren stetig steigende Erwerbsquote bei Frauen und die bessere sozialversicherungsrechtliche Absicherung, z.B. durch die Ausweitung der Anerkennung von Zeiten der Erziehung von vor dem 1.1.1992 geborenen Kindern oder die bessere Berücksichtigung von Pflegezeiten in der gesetzlichen RV. Ein Rentensplitting unter Ehegatten lohnt sich für diese in der Regel nicht und vermag immer weniger den Verlust des Hinterbliebenenrentenanspruchs zu kompensieren.

Im politischen und sozialwissenschaftlichen Diskurs wird die Hinterbliebenenrente wegen ihres abgeleiteten Charakters oft als „Rente zweiter Klasse“ nicht mehr für zeitgemäß erachtet 31 31 Erster Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, BT-Drucks. 17/6240, S. 226. . Diese Einschätzung wird vom Autor vor dem Hintergrund des geltenden Rentenrechts nicht geteilt. Die Hinterbliebenenrente leistet einen gewichtigen Anteil zur Vermeidung von Altersarmut, insbesondere von Frauen. So betrug der Rentenzahlbetrag (mit und ohne Einkommensanrechnung) einer Witwenrente im Jahr 2020 durchschnittlich 679,32 EUR monatlich 32 32 S. Statistikportal der Rentenversicherung, https://statistik-rente.de/drv/extern/rente/rentenbestand/, letzter Zugriff am 10.11.2021. . Wollte man diesen Rentenzahlbetrag allein durch das Rentensplitting generieren, müssten derzeit mehr als 22 Entgeltpunkte 33 33 (679,32 EUR + (679,32 EUR x 0,14)) / 34,19 EUR. zugunsten eines Ehegatten übertragen werden. Die Differenz der beiderseitigen Anwartschaften der Ehegatten in der gesetzlichen RV müsste rd. 45 Entgeltpunkte – ohne die Zuschläge an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung – betragen. Im Übrigen ist die Höhe einer Versichertenrente lediglich ein Indikator für das Vorhandensein von Altersarmut, insbesondere bei Frauen. Letztlich kommt es nämlich auf das gesamte Haushaltseinkommen an. Aus welchen Quellen dieses stammt, dürfte – soweit es dauerhaft auskömmlich ist – für die Betroffenen eher zweitrangig sein.

Es zeigt sich also deutlich, wie unverzichtbar die Hinterbliebenenrente als soziales Sicherungselement im Gefüge der aktuellen rentenrechtlichen Regelungen ist. Eine Abkehr von der Hinterbliebenenrente wäre nur im Rahmen einer umfassenden Strukturreform der gesetzlichen Rentenversicherung denkbar.

Will man die Attraktivität und die Akzeptanz des Rentensplittings erhöhen sind gesetzliche Anpassungen unumgänglich.

7. Alternativen

7.1 Alternative I  – Modifizierung der bestehenden Regelungen zum Rentensplitting

Vorausgesetzt, das Rentensplitting würde in der derzeitigen Form dem Grunde nach beibehalten, wäre zunächst die Aufhebung der Begrenzung auf nach dem 1.1.2002 geschlossene Ehen denkbar. Denn außer, dass der Gesetzgeber eine Beschränkung auf das „neue Hinterbliebenenrecht“ 34 34 BT-Drucks. 14/4595, S. 52. wollte, gibt es hierfür keine wirklich einleuchtende Begründung. Ob das Erfordernis von 25 Jahren an rentenrechtlichen Zeiten zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Begünstigung für Personen, die den Schwerpunkt ihrer Versorgung außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung haben 35 35 BT-Drucks. 14/5150, S. 25. , noch zeitgemäß ist, wäre ebenfalls zu prüfen.

Des Weiteren dürfte das Rentensplitting nicht mehr zu einem (vollständigen) Wegfall des Hinterbliebenenrentenanspruchs führen. Denn im Unterschied zum Versorgungsausgleich bei der Scheidung bleibt nach Durchführung des Rentensplittings nicht nur die Ehe bestehen, sondern die Ehegatten entscheiden sich auch freiwillig dazu, Rentenanwartschaften zu übertragen.

Im Übrigen würde das Fortbestehen des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente nach durchgeführtem Rentensplitting einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Altersarmut insbesondere von Frauen, zu vermeiden. Immerhin hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zur Einführung des Rentensplittings selbst festgestellt, dass „gleichwohl (…) ein auf eigenständige Alterssicherung von Frauen angelegtes Rentenmodell auch in Zukunft auf eine Hinterbliebenenversorgung nicht verzichten“ könne 36 36 BT-Druck. 14/4595, S. 41. .

Die Finanzierung solcher Maßnahmen dürfte sich – gerade im Vergleich zu der zum 1.1.2021 eingeführten Grundrente – in einem überschaubaren Rahmen bewegen und mehr Effekte erzielen.

Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags kommt zwar in seiner Ablehnung einer Petition zur Einführung eines wohl obligatorischen Rentensplittings vom 25.3.2021 37 37 Petition 87630, Beschluss Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags vom 25.3.2021, Pet 3-19-11-822-013458, s. Website des Deutschen Bundestags, Petitionen. zu dem Ergebnis, dass die Kosten für die Absicherung von hinterbliebenen Ehegatten erheblich sein würden, wenn nach Durchführung eines Rentensplittings der Anspruch auf Hinterbliebenenrente erhalten bliebe.

Allerdings darf in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass die gesetzliche RV das Risiko, aus einer Rentenanwartschaft (auch mehrere) Leistungen zu erbringen, unabhängig davon trägt, welcher Ehegatte sie erworben hat. Dabei trifft zwar zu, dass aus der im Rentensplitting übertragenen Rentenanwartschaft eine höhere Leistung zu erbringen wäre als im Fall der Zahlung einer Hinterbliebenenrente. Aber hier wirken auch Dämpfungsfaktoren. So werden, wie aufgezeigt, allein durch die beschränkenden Zugangsvoraussetzungen für das Rentensplitting auch künftig keine erheblichen Rentenanwartschaften zu übertragen sein. Darüber hinaus mindern die übertragenen Rentenanwartschaften die Höhe zu zahlender Hinterbliebenenrenten und steigern das für die Einkommensanrechnung maßgebende Einkommen des überlebenden Ehegatten. Die Zwitterstellung der Hinterbliebenenrente zwischen Versicherungs- und Fürsorgeleistung 38 38 Erster Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, BT-Drucks. 17/6240, S. 226. wirkt hier im Sinne des Rentensplittings.

Der Hinterbliebenenrentenanspruch wäre nur für die Zeit des Bezugs einer Erziehungsrente auszuschließen.

Der Einwand, dass Verheiratete im Vergleich zu Unverheirateten für die Versorgung ihrer Hinterbliebenen keine zusätzlichen Beiträge zahlen und es damit zu einem Familienlastenausgleich innerhalb der RV zugunsten von Verheirateten komme, kann an dieser Stelle ebenfalls nicht gelten. Einerseits steht dem Gesetzgeber zur Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips, trotz der hinsichtlich der gesetzlichen RV zu beachtenden Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG, ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Andererseits beinhaltet die unter dem Schutz des Grundgesetzes (Art. 6 Abs. 1 GG) stehende Ehe auch die Einstandspflicht der Ehegatten untereinander. Der trotz durchgeführtem Rentensplitting weiter bestehende Hinterbliebenenrentenanspruch wäre daher das Ergebnis der Errungenschaftsgemeinschaft und der ehelichen Solidarität im Falle des Todes eines Ehegatten.

Umgangen werden könnte dieses Problem, wenn das Rentensplitting auch für in eheähnlicher Lebensgemeinschaft Lebende ermöglicht würde. Damit würde auch der Lebenswirklichkeit vieler ohne Trauschein Zusammenlebender Rechnung getragen, die ihre Partnerschaft – vor allem, wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind – auch als Teilhabemodell begreifen.

In diesem Fall müsste der Beginn der Splittingzeit modifiziert werden. Maßgebend für den Splittingzeitbeginn wäre dann der Zeitpunkt der Begründung der eheähnlichen Lebensgemeinschaft bzw. weiterhin der Zeitpunkt der Eheschließung, wenn zuvor keine eheähnliche Gemeinschaft bestanden hat.

Vor dem Hintergrund der Schaffung eigener Anrechte und der Vermeidung von Altersarmut von Frauen, wäre auch die Ausweitung des Rentensplittings auf weitere Regelsicherungssysteme (erste Säule der Altersversorgung) zu überlegen 39 39 Das Für und Wider einer Ausdehnung des Rentensplittings auch auf die zweite Säule (betriebliche Altersversorgung) und die dritte Säule (private Altersvorsorge) würde den Rahmen sprengen, so dass an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen wird. .

7.2 Alternative II – obligatorisches Rentensplitting

Eine andere Alternative wäre die Einführung des obligatorischen Rentensplittings, ähnlich dem schweizerischen Modell. Das schweizerische Rentensystem ist zwar wie das deutsche umlagefinanziert, im Gegensatz zu Deutschland sind in der Schweiz jedoch die Leistungen und nicht die Beiträge der Höhe nach begrenzt. Zudem beinhaltet das schweizerische Rentensystem hohe Umverteilungselemente, wie z.B. die großzügigen Regelungen zum Hinterlassenenrentenanspruch für Frauen, bei gleichzeitig stark eingeschränktem Zugang für Männer 40 40 S. www.ahv-iv.ch/de/Sozialversicherungen/Alters-und-Hinterlassenenversicherung-AHV/Hinterlassenenrenten#qa-799, letzter Zugriff am 10.11.2021. und strebt eine Mindestexistenzsicherung an.

In diese Richtung zielt auch ein Beschluss der Fraktion der Partei Bündnis 90 / Die Grünen vom 19.3.2019, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, einen Gesetzentwurf zu einer Garantierente vorzulegen, der unter anderem auch das obligatorische Splitting von Anrechten der gesetzlichen RV beinhaltet 41 41 BT-Drucks.19/9231; s. auch Website der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, www.gruene-bundestag.de/files/beschluesse/beschluss-garantierente.pdf, letzter Zugriff 10.11.2021. .

Der Antrag wurde durch den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales nach öffentlicher Anhörung jedoch abgelehnt 42 42 BT-Drucksache 19/10033. . Ebenso hat der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags eine ablehnende Haltung gegenüber einem obligatorischen Rentensplitting eingenommen 43 43 Petition 87630, Beschluss Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags vom 25.3.2021, Pet 3-19-11-822-013458, s. Website des Deutschen Bundestags, Petitionen. .

Fraglich ist, ob damit bereits das letzte Wort zu diesem Thema gesprochen ist. Denn der wissenschaftliche Dienst des Bundestags gelangt in seiner Einschätzung vom 10.10.2019 44 44 Wissenschaftliche Dienste vom 10.10.2019, WD 6 – 3000 – 114/19, abrufbar auf der Website des Bundestags, www.bundestag.de/resource/blob/668558/065743ee567ab295e9c03858033a771a/WD-6-114-19-pdf-data.pdf, letzter Zugriff 10.11.2021. zu dem Schluss, dass die Einführung eines obligatorischen Rentensplittings „in den zur ersten Säule der Alterssicherung zu zählenden Systemen mit Ausnahme der Versorgung der Landes- und Kommunalbeamten möglich“ und damit verfassungsgemäß wäre 45 45 Ebd. S. 8. .

Der rechtlichen Ausgestaltung eines obligatorischen Rentensplittings soll hier nicht vorgegriffen werden. Es sei lediglich angemerkt, dass sich – unabhängig von den etwaigen rechtlichen oder praktischen Umsetzungshürden – auch die Frage stellt, ob und, wenn ja, wie, ein obligatorisches Rentensplitting in Rentenauskünften und Renteninformationen der Deutschen Rentenversicherung oder in der geplanten digitalen Rentenübersicht 46 46 Gesetz zur Verbesserung der Transparenz in der Alterssicherung und der Rehabilitation sowie zur Modernisierung der Sozialversicherungswahlen und zur Änderung anderer Gesetze (Gesetz Digitale Rentenübersicht) vom 11.02.2021 (BGBL I S. 154). darzustellen wäre.

8. Fazit

Es bleibt festzustellen, dass das Rentensplitting ein wirksames Instrument sein kann, die auch heute noch vorhandene Rentenlücke zwischen Frauen und Männern 47 47 Weitere Informationen zum Gender Pension Gap s. Website des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/online-rechner/gleichstellungsatlas?indikator=Gender-Pension-Gap, letzter Zugriff am 10.11.2021. spürbar zu verkleinern. Und dabei bedarf es nicht einmal der Ausweitung des Rentensplittings über die gesetzliche RV hinaus. Es würde zunächst ausreichen, wenn die gesetzliche RV mit gutem Beispiel vorangehen könnte. Mit der derzeitigen Ausgestaltung des Rentensplittings ist das jedoch kaum möglich.

Obwohl die gesetzliche RV umfangreich informiert und ausführliche Beratungen 48 48 S.Website der Deutschen Rentenversicherung, www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Familie-und-Kinder/Rentensplitting/rentensplitting.html, letzter Zugriff am 10.11.2021. anbietet, bleibt das Rentensplitting in der Praxis eine Randerscheinung.

Zwar liegen weder der Bundesregierung Angaben über die Anzahl der Rentensplittingverfahren bis zum Jahr 2018 vor 49 49 BT-Drucks. 19/13899, Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion der AfD. , noch existieren derzeit genaue Statistiken, in welchem Umfang ein Rentensplitting, über die Erteilung von Splittingauskünften hinaus, tatsächlich durchgeführt wird 50 50 Eigenen Recherchen des Autors zufolge, sollen genaue statistische Auswertungen zum Rentensplitting ab dem 1.1.2023 möglich sein. .

In der Praxis ist dennoch festzustellen, dass das Rentensplitting bei potentiell Berechtigten nur auf eine geringe Resonanz stößt. Das dürfte hauptsächlich an den dargestellten Beschränkungen liegen, mit denen das Rentensplitting verbunden ist. Insbesondere das Erlöschen des Hinterbliebenenanspruchs sorgt dafür, dass sich ein Rentensplitting für die allermeisten Berechtigten schlicht nicht lohnt.

Auch das Entstehen des Anspruchs auf Erziehungsrente nach Durchführung des Rentensplittings durch den überlebenden Ehegatten scheint wenig attraktiv zu sein, obwohl die gesetzliche RV in geeigneten Fällen im Rahmen der Anträge auf Hinterbliebenenrente stets auf die Möglichkeit des Rentensplittings hinweist.

Die Erziehungsrente selbst macht nur einen sehr geringen Anteil an den Renten wegen Todes aus. Im Berichtsjahr 2020 wurden von insgesamt 6,1 Mio. Renten wegen Todes lediglich 7 686 Erziehungsrenten geleistet 51 51 S. Statistikportal der Rentenversicherung unter: https://statistik-rente.de/drv/extern/rente/rentenbestand/, letzter Zugriff am 10.11.2021. . Wäre ein Rentensplitting mit anschließender Erziehungsrente eine attraktive Alternative, wäre deren Anteil sicher höher.

Will man also das Rentensplitting aus seiner Nische herausholen und den in der Gesetzesbegründung formulierten Zielen näher kommen, bedarf es einer enormen Attraktivitätssteigerung.

Die Ampel-Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP hat dem Rentensplitting in ihrem Koalitionsvertrag ganze zwei Sätze gewidmet 52 52 „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, S. 74, www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf, letzter Zugriff am 3.12.2021. . So soll die Bekanntheit des Rentensplittings durch Hinweise in den jährlichen Renteninformationen der Deutschen Rentenversicherung gesteigert und der berechtigte Personenkreis auf unverheiratete Paare ausgedehnt werden.

Das Rentensplitting mag sich dann zwar für Unverheiratete lohnen, weil diese ohnehin keinen Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente haben. Verbunden mit dem erweiterten Informationsangebot der Deutschen Rentenversicherung könnte es auch tatsächlich zu einer vermehrten Inanspruchnahme des Rentensplittings kommen. Für verheiratete Paare soll sich nach dem Koalitionsvertrag jedoch nichts ändern.

Zur Steigerung der Attraktivität des Rentensplittings bedarf es aber mehr als der Einbeziehung unverheirateter Paare und einer gesteigerten Bekanntheit. Vielmehr sind weitere Maßnahmen notwendig, die das Rentensplitting für alle berechtigten Personenkreise interessant machen. Diesbezügliche Stellschrauben gibt es viele. Einige sind hier genannt worden. Und natürlich wird es – so wie jede Reform im Rentenrecht zuvor – Geld kosten. Die Frage ist jedoch, welche Prioritäten man setzt. Das Rentensplitting jedenfalls bietet das Potential, tatsächlich ein Mehr an Teilhabegerechtigkeit zu verwirklichen. Die Möglichkeiten sind da, man muss sie nur nutzen wollen.

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