1. Warum brauchen wir Prävention?
Bedingt durch den demographischen Wandel steigt der Anteil älterer Bevölkerungsgruppen, die eine höhere Morbidität aufweisen. Zusätzlich wirken demographische Entwicklungen auf die Arbeitswelt, indem sie den Personal- und Fachkräftemangel verstärken. Laut dem DAK-Report 2023 bedingt dieser Trend einen erhöhten Krankenstand und bedeutet für die Betroffenen gesundheitliche Folgen wie Stress, Schlafmangel und Erschöpfung 1 1 Vgl. Hildebrandt, Dehl, Zich, Nolting; Gesundheitsreport 2023; Analyse der Arbeitsunfähigkeiten Gesundheitsrisiko Personalmangel: Arbeitswelt unter Druck; S.31 ff (Abruf am 10.4.2024).Download unter: dak ). Steigende Fehltage aufgrund von psychischen Störungen sind dabei insbesondere besorgniserregend, da diese ein hohes Risiko für die Erwerbsminderung darstellen. Analysen der rentenversicherungseigenen Routinedaten zeigen eine Zunahme von Erwerbsminderungsrenten wegen psychischer Erkrankungen. Mit dem Alter verstärken sich im Allgemeinen die gesundheitlichen Einschränkungen und chronische Erkrankungen nehmen zu. In Anbetracht der längeren Lebensarbeitszeit wird der Bedarf präventiver Angebote zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit besonders relevant.
2. Rechtlicher Rahmen
Mit Inkrafttreten des Flexirentengesetzes am 1.1.2017 bietet die Deutsche Rentenversicherung ein Präventionsprogramm nach § 14 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) als Pflichtleistung an.
Mit diesem Programm bringt sich die Deutsche Rentenversicherung in die nationale Präventionsstrategie nach § 20d bis 20g Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ein (§ 14 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Sie ist neben der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Pflegeversicherung stimmberechtigtes Mitglied der Nationalen Präventionskonferenz (NPK), die mit dem Präventionsgesetz 2015 ins Leben gerufen wurde. Ziel der NPK ist es, die trägerübergreifende Zusammenarbeit zu fördern und Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten und in Betrieben weiterzuentwickeln. Im Rahmen der NPK werden Bundesrahmenempfehlungen verabschiedet. Darüber hinaus umfasst die Aufgabe der NPK, alle vier Jahre einen Bericht über die Entwicklungen von Prävention und Gesundheitsförderung zu erstellen. Der zweite Präventionsbericht 2 2 Zweiter Präventionsbericht der NPK (npk-info.de, Abruf am 10.4.2024) ) wurde im Juni 2023 dem Bundesministerium für Gesundheit übergeben. In diesem Bericht werden neben Verstetigungen der Strukturen in der Prävention und Gesundheitsförderung die Einflüsse der Corona-Pandemie, die Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger und die Weiterentwicklung der Prävention dargestellt.
Zudem hat der Gesetzgeber einen Baustein zu einer freiwilligen, individuellen, berufsbezogenen Gesundheitsvorsorge für Versicherte ab Vollendung des 45. Lebensjahres im SGB VI verankert. Die Träger der Rentenversicherung (RV-Träger) sollen hierzu ihre Vorsorgeinstrumente in Modellprojekten entwickeln und erproben (§ 14 Abs. 3 Satz 2 SGB VI).
3. RV Fit – das Präventionsprogramm der Deutschen Rentenversicherung
Mit ihrem Präventionsprogramm RV Fit bietet die Deutsche Rentenversicherung nach § 14 Abs. 1 SGB VI eine medizinische Leistung zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit für Versicherte, die erste gesundheitliche Beeinträchtigungen aufweisen, die die ausgeübte Beschäftigung gefährden. Mit diesem Angebot wird das Ziel verfolgt, Erkrankungen bereits im Vor- oder Frühstadium entgegenzuwirken entsprechend dem Grundsatz: „Prävention vor Reha vor Rente“ (§ 9 SGB VI).
RV Fit baut auf dem Wissen auf, dass sich frühzeitiges Handeln bei lebensstilbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen positiv auf die Gesundheit und die Beschäftigungsfähigkeit auswirkt.
Mit Trainingselementen zu Bewegung, Ernährung und Stressbewältigung werden Beschäftigte unterstützt, langfristig gesund zu leben und zu arbeiten. Das Präventionsprogramm RV Fit kombiniert eine intensive, mehrtägige Einführungsphase mit berufsbegleitenden regelmäßigen Trainingseinheiten vor Ort, einer Eigeninitiativphase und einer bis zu dreitägigen Auffrischungsphase.
Konzeptionell liegt dem Präventionsprogramm das bio-psycho-soziale Modell zugrunde, dass körperliche, psychische und sozialen Faktoren und deren Wechselwirkungen untereinander berücksichtigt (Rahmenkonzept 2020) 3 3 www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Experten/infos_reha_einrichtungen/konzepte_systemfragen/konzepte/rahmenkonzept_Med_Leistungen_Praevention.html (Abruf am 10.4.2024). . In dem Modell werden auch umwelt- und personbezogenen Kontextfaktoren aufgeführt. Danach können schon die ersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die selbst noch keinen Krankheitswert und damit keinen akut-medizinischen Behandlungsbedarf haben, aber unter Einwirkung weiterer negativer Einflussfaktoren (z.B. angespannte familiäre oder berufliche Situation, finanzielle Sorgen) Lebensqualität mindern oder ausgeübte Beschäftigung gefährden. Die multiplen Zusammenhänge aus dem Modell helfen dabei einen umfassenden Blick auf die gesundheitliche Situation zu bekommen und mögliche fördernde oder hemmende Faktoren für die Therapie zu identifizieren.
3.1 Wie funktioniert RV Fit?
Das Präventionsprogramm RV Fit dauert in der Regel sechs Monate und wird überwiegend berufsbegleitend durchgeführt. Es gliedert sich in die folgenden vier Phasen:
- Startphase:
Die Präventionsleistung wird in der Startphase in einer Reha-Einrichtung (stationär oder ganztägig ambulant) möglichst als Gruppenangebot mit bis zu fünfzehn Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt. Die Dauer beträgt grundsätzlich drei Tage ganztägig ambulant oder fünf Tage stationär.
Die Teilnehmenden erhalten Informationen über den Ablauf, die Ziele und die Inhalte der Leistung. Außerdem erfolgt die für die konkrete Planung und Durchführung der Leistung erforderliche Diagnostik, einschließlich ärztlicher Eingangsuntersuchung. Hierdurch sollen insbesondere individuelle berufsbezogene Probleme und sonstige Risikofaktoren identifiziert und bereits vorhandene Ressourcen analysiert werden.
- Trainingsphase:
Die Trainingsphase wird im Anschluss an die Startphase alltags- und berufsbegleitend in der Nähe des Wohn- bzw. Arbeitsorts oder online per App durch zugelassene Einrichtungen durchgeführt. Über einen Zeitraum von grundsätzlich zwölf Wochen nehmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein- bis zweimal pro Woche an einem oder mehreren ausgewählten Präventionsmodulen teil, die auf den Inhalten der Startphase aufbauen. Die im Präventionsplan individuell festgelegten Ziele sollen weiterverfolgt und gefestigt werden. Die Teilnehmenden sollen zudem motiviert werden, das vereinbarte Präventionsziel konsequent und in Eigenverantwortung umzusetzen.
- Eigenaktivitätsphase:
In der Eigenaktivitätsphase, die in der Regel zwölf Wochen innerhalb des zeitlich zusammenhängenden Phasenmodells der Prävention dauert, sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die ihnen vermittelten Ansätze zu Verhaltens- und Lebensstiländerungen eigenverantwortlich im Lebensalltag umsetzen. Darüber hinaus sollen die Teilnehmenden, um Nachhaltigkeit zu erreichen, das begonnene Training in eigener Verantwortung möglichst dauerhaft fortführen.
- Auffrischungsphase:
Die Auffrischungsphase findet in der Regel zwölf Wochen nach Abschluss der Trainingsphase bei dem Anbieter statt, der auch die Startphase durchgeführt hat. Die Dauer beträgt grundsätzlich einen Tag ganztägig ambulant oder drei Tage stationär. Diese Phase dient der Auffrischung der in den vorherigen Phasen besprochenen Inhalte und erworbenen Kompetenzen, so wie einer Zielkontrolle bezüglich der in der Startphase aufgestellten individuellen Ziele 4 4 RV Fit Rahmenkonzept für Leistungen zur Prävention; Stand: Dezember 2020; vgl. Fn. 3. .
4. Digitalisierung von RV Fit
Wie in vielen anderen Branchen brachte die Corona-Pandemie einen Digitalisierungsschub auch für die Präventionsleistungen der Rentenversicherung. Bis dahin ausschließlich face-to-face laufende Kurse wurde in Livestream-Diensten angeboten, um den Teilnehmenden auch in der Zeit von Kontaktbeschränkungen Trainingsmöglichkeiten zu ermöglichen. Mehrere RV-Träger erprobten in Modellprojekten die Anwendungsmöglichkeiten der digitalen Angebote. Inzwischen bieten mindesten 25 Einrichtungen deutschlandweit eine oder mehrere Phasen des Präventionsprogramms in einem digitalen Format an.
Der überwiegende Einsatz digitaler Elemente findet in der Trainingsphase von RV Fit statt. Konkret heißt das, dass eine digitale Anwendung z.B. in Form einer App im Rahmen der Startphase eingeführt wird, um dann einen reibungslosen Übergang in die digitale Trainingsphase zu ermöglichen. Der Refresher findet dann wieder in Präsenz statt, so dass das Präventionsprogramm als Mix aus Präsenz- und digitalen Modulen gestaltet ist.
Das digitale Format kommt insbesondere Personengruppen zugute, die aufgrund arbeitsorganisatorischer und/oder privater Gründe nicht am konventionellen RV Fit-Programm in Präsenz teilnehmen können. Die Digitalisierung des Programms trägt auch zur Flächendeckung in Regionen bei, in denen bisher keine wohn- oder arbeitsortnahen Angebote zur Verfügung stehen.
5. Zugangswege
Bei Präventionsleistungen der Deutschen Rentenversicherung handelt es sich um Antragsleistungen, für die sich Versicherte bewusst entscheiden müssen. Entsprechend gestaltet die Deutsche Rentenversicherung den Zugang zu ihren Leistungen einfach und barrierefrei. Eine schnelle Information und Antragstellung ist durch das neu entwickelte Präventionsportal RV Fit möglich. Durch den Firmenservice und die Kooperation mit Beratenden von weiteren Sozialleistungsträgern werden Versicherte im betrieblichen Setting frühzeitig auf die vielfältigen Angebote zur Gesunderhaltung hingewiesen.
5.1 Präventionsportal RV Fit
Wer seine gesundheitlichen Probleme frühzeitig und aktiv angehen möchte, findet auf dem Präventionsportal RV Fit 5 5 Präventionsportal RV Fit (www.rv-fit.de, Abruf am 10.4.2024) alle Informationen. Eine Postleitzahlensuche hilft beim schnellen Auffinden der nächstgelegenen Einrichtung, die RV Fit anbietet. Auf der Internetseite ist die Anmeldung zum kostenlosen Trainingsprogramm RV Fit ganz einfach in wenigen Minuten möglich.
Die Entwicklung des Präventionsportals erfolgte durch ein Projektteam der Deutschen Rentenversicherung. Gemeinsam mit Versicherten, Arbeitgebern und Vertretern von Rehabilitationseinrichtungen fanden die Präventionsexperten der Rentenversicherung (RV) in Praxisworkshops heraus, wie Prävention attraktiver wird. Zum Einsatz kamen moderne Methoden aus dem Bereich der nutzerzentrierten Projektarbeit („Design Thinking“).
Das Programm ist das gleiche geblieben, aber der Zugang wurde stark erleichtert. Aufgrund der Erkenntnisse aus den Praxisworkshops hat die Deutsche Rentenversicherung den Antragsprozess deutlich verschlankt. Interessierte müssen keinen langen Selbstauskunftsbogen mehr ausfüllen und brauchen auch keinen ärztlichen Befundbericht, um an dem Trainingsprogramm teilzunehmen. Mit bürgernaher Sprache und einem nutzerfreundlichen Zugang zur Serviceleistung soll das Präventionsportal Menschen für das Programm RV Fit inspirieren und aktivieren.
Der Erfolg des Präventionsportals spiegelt sich in den Online-Antragszahlen wider. Zuvor haben lediglich sechs Prozent der Antragstellenden den Online-Antrag genutzt. Mit dem Einsatz des Präventionsportals ist der Anteil der Online-Antragstellenden auf über 90 % gestiegen. Auch die Antragszahlen insgesamt haben sich deutlich erhöht. Im Jahr 2023 haben sich die Antragszahlen im Verhältnis zum Vorjahr fast verdoppelt und dieser Trend hält an.
Im Rahmen des Regionalforums in Tallin der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit erhielt das Präventionsportal RV Fit 2022 die zweithöchste Auszeichnung für gute Praxis in Europa.
5.2 Ü45-Onlinecheck
Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat in einem gemeinsamen Projekt mit der Charité Berlin einen papierbasierten Screeningfragebogen für Versicherte ab 45 Jahren entwickelt, der Bedarf an Teilhabeleistungen feststellt. Auf Basis dieses Fragebogens wurde der Ü45-Onlinecheck 6 6 Ü45-Onlinecheck, Abruf am 10.4.2024 entwickelt, der Versicherten auf der Website der Deutschen Rentenversicherung zur Verfügung steht. Versicherte können mit diesem Selbsttest herausfinden, wie es um ihre Gesundheit und Belastungen im Alltag und Beruf steht. Am Ende des Checks gibt es bei Bedarf eine Empfehlung für eine Prävention oder Rehabilitation und eine Weiterleitung zum entsprechenden Antrag. Der Ü45-Onlinecheck bietet den Beschäftigten damit auch einen zusätzlichen niedrigschwelligen Zugang zu den Leistungen der RV.
5.3 Firmenservice
Die RV-Träger bieten seit März 2015 bundesweit den Firmenservice 7 7 Firmenservice, Abruf am 10.4.2024 an, ein kostenfreies Beratungsangebot für Betriebe und Unternehmen. Das Angebot richtet sich an Arbeitgeber, Personal- und Betriebsräte, Schwerbehindertenvertreter sowie Werks- und Betriebsärzte.
Der Firmenservice der Deutschen Rentenversicherung unterstützt Betriebe dabei, die Gesundheit ihrer Beschäftigten zu stärken und zu erhalten.
Neben der klassischen Beratung zu Rente und Altersvorsorge sowie Beitragseinzug steht das Thema „Gesunde Mitarbeiter“ im Mittelpunkt des Firmenservices. Dieses Thema umfasst die medizinische- und berufliche Rehabilitation. Darüber hinaus hat die RV die Inhalte ihres Beratungsangebots um Informationen zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM), zum Aufbau eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) und zum Präventionsprogramm RV Fit erweitert.
Ziel ist es, den Bedarf an Teilhabeleistungen bei den Beschäftigten frühzeitig zu erkennen, entsprechende Leistungen zeitnah zu initiieren und damit die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter des betroffenen Betriebes zu sichern.
Der Firmenservice der Deutschen Rentenversicherung unterstützt Betriebe, Präventionsleistungen der Rentenversicherung als Bestandteil eines betrieblichen Gesundheitsmanagements zu implementieren und bildet eine Verbindung zu den Präventions-Einrichtungen. Darüber hinaus nimmt der Firmenservice der Deutschen Rentenversicherung eine Lotsen- und Wegweiserfunktion zu den Präventionsangeboten der anderen Sozialleistungsträger wahr und kooperiert bundesweit mit diesen in Modellprojekten.
Die kostenlose Beratung erfolgt per Telefon oder durch einen direkten Kontakt vor Ort.
6. Kooperationen
Das gegliederte System der sozialen Sicherung in Deutschland führt dazu, dass die Deutsche Rentenversicherung nicht allein die Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft im Bereich Prävention liefern kann. Vielmehr ist eine gemeinsame Strategie aller beteiligten Akteure im Bereich der sozialen Sicherungssysteme unter Einbeziehung der Arbeitgeber erforderlich.
Die Deutsche Rentenversicherung vernetzt sich daher aktiv und kooperiert mit allen relevanten Beteiligten, um Leistungen wie aus einer Hand anzubieten und die individuelle Teilhabe all ihrer Versicherten zu unterstützen.
6.1 Gesetzliche Unfallversicherung
Die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung haben bereits im Dezember 2016 die gemeinsame Erklärung „Starke Partner für gesundes Leben und Arbeiten“ abgeschlossen 8 8 Gemeinsame Erklärung, Abruf am 10.4.2024 . Auf der Grundlage der gemeinsamen Erklärung fördern und koordinieren sie die Zusammenarbeit zwischen den Trägern der Unfallversicherung und den RV-Trägern bei der Beratung der Unternehmen zu den Themen BEM, aber auch in den Bereichen Prävention und Betriebliche Gesundheitsförderung. Betriebe haben grundsätzlich ein Interesse daran, von den Trägern der Sozialversicherung eine abgestimmte und leistungsübergreifende Beratung zu erhalten.
Unterstützt wird die Kooperation durch einen Begleitkreis mit Vertreterinnen und Vertretern von RV und Unfallversicherung auf Geschäftsführerebene der halbjährlich zusammenkommt und folgende Handlungsfelder fördert:
- Regionale Modellprojekte zur gemeinsamen Beratung von Betrieben:
In der gemeinsamen Beratung von Betrieben stellen RV und Unfallversicherung ihre Leistungsangebote vor und erörtern den Belangen der Betriebe entsprechend, welche Angebote umgesetzt werden können bzw. in welchen Bereichen Unterstützung angeboten werden kann. Modellprojekte der abgestimmten Beratung wurden und werden bereits in verschiedenen Bundesländern durchgeführt.
- Qualifizierung der Beratenden von RV und Unfallversicherung:
Die Kooperation kann nur gelingen, wenn die Außendienstmitarbeitenden, die die Betriebe vor Ort beraten, die Präventionsansätze, die Handlungsfelder und Leistungen sowie die Ansprechpersonen der Kooperationspartner kennen. Hierfür werden gemeinsam Workshops und Online-Seminare durchgeführt und die Weiterbildungskonzepte für Mitarbeitende der Leistungsträger angepasst.
- Praktiker-Netzwerktreffen
Praktiker Netzwerktreffen haben sich als gutes Format zum regionalen Austausch über die jeweiligen Leistungen der Träger, zum persönlichen Kennenlernen der Beratenden vor Ort und zur Zusammenarbeit bewährt. In fast allen Regionen haben bereits Praktiker-Netzwerktreffen stattgefunden bzw. finden regelmäßig statt. Durch die Zusammenarbeit und Vernetzung profitieren RV und Unfallversicherung davon, dass die Träger ihren Handlungsspielraum sowie die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Arbeit dem jeweils anderen Partner näherbringen können. Das Wissen um bestehende Grundlagen, Leistungsansprüche, vorhandene Angebote und auch die Kenntnis von Zuständigkeiten stellen die Basis für gelingende Kooperationen dar.
- Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung und gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit
Im Rahmen einer internen Veranstaltung kamen Geschäftsführer und Führungskräfte aller RV-Träger und Unfallversicherungsträger in Dresden zusammen, um das Bewusstsein für die gemeinsame Kooperation weiterzuentwickeln und in ihre Häuser zu tragen.
Weiterhin treten RV und Unfallversicherung auf zahlreichen Messen und Kongressen gemeinsam auf und nutzen diverse Foren, um über Weiterentwicklung und Nutzen der Kooperation sowie Synergieeffekte zu berichten.
6.2 Gesetzliche Krankenversicherung
Mit Schaffung der regionalen Koordinierungsstellen für die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF-Koordinierungsstellen) 9 9 BGF-Koordinierungsstellen, Abruf am 10.4.2024 im Mai 2017 wurden die Beratungs- und Unterstützungsangebote der gesetzlichen Krankenversicherungen für Arbeitgebende unabhängig von Branche und Beschäftigtenzahl gebündelt. Hierdurch wurden diese zu einem guten Kooperationspartner im Rahmen des BGM auch für den Firmenservice der gesetzlichen RV. In vielen Regionen arbeiten Firmenservice und BGF-Koordinierungsstellen bei der Beratung der Unternehmen gut zusammen. Viele Modellprojekte mit Verzahnung der Angebote von RV und gesetzlicher Krankenversicherung sind entstanden.
Durch die Zusammenarbeit mit der Bundesstelle der BGF-Koordinierungsstellen besteht die Möglichkeit, bundesweit auf die Bündelung der Leistungen der Sozialversicherungsträger zur Unterstützung von Unternehmen beim Aufbau eines BGM einzuwirken. So können einheitliche Beratungsstandards für die BGF-Beratenden mit Informationen seitens der RV und der Unfallversicherung entwickelt werden. Informationen können über einen zentralen Bundesverteiler gut an alle BGF-Verantwortlichen der Krankenkassen weitergegeben werden. Austauschformate wie z. B. ein runder Tisch der Sozialversicherungsträger werden eingerichtet.
6.3 Bundesagentur für Arbeit
Der Arbeitgeberservice der Bundesagentur für Arbeit 10 10 Arbeitgeberservice, Abruf am 10.4.2024 bietet den Unternehmen eine ganzheitliche Beratung und fördert die Vernetzung mit anderen Beratenden. Kann ein Bedarf in der Beratung nicht selbst gedeckt werden, werden die Kundinnen und Kunden durch den Rückgriff auf Netzwerke zu anderen Sozialversicherungsträgern weitervermittelt. So kann bei Bedarf auch auf Präventions- und Rehabilitationsangebote der RV hingewiesen werden. Der Austausch und die Vernetzung der Beratenden vor Ort soll in zwei Pilotprojekten erprobt werden.
6.4 Landesrahmenvereinbarungen zur Prävention
Die Landesrahmenvereinbarungen zur Umsetzung der nationalen Präventionsstrategie (s. Ziff. 2 Absatz 2) berücksichtigen und konkretisieren die Bundesrahmenempfehlungen den jeweiligen landesspezifischen Bedarfen entsprechend. So wurden und werden auf der Ebene einzelner Bundländer ebenfalls Projekte zur Kooperation der Sozialversicherungsträger durchgeführt, um insbesondere vulnerable Gruppen zu erreichen. Im Mittelpunkt standen in den letzten Jahren insbesondere die Pflegekräfte mit ihren besonderen psychischen und physischen beruflichen Belastungen.
7. Wie geht es mit der Prävention weiter?
Das aktuelle Angebot der Deutschen Rentenversicherung erfreut sich steigender Nachfrage. Gleichzeitig finden noch nicht alle Versicherten ein passendes Angebot in der Nähe, wie die Auswertung des Feedbacks aus dem Präventionsportal deutlich macht. Einer der Gründe dafür ist, dass es aktuell eine nur begrenzte Anzahl an Präventionseinrichtungen deutschlandweit gibt und insbesondere ländliche Regionen nicht ausreichend Präventionsanbieter haben. Ein wichtiger Aspekt in der Zukunft ist es, geeignete Kooperationspartner zu finden, um die Präventionsleistungen flächendeckend anbieten zu können. Die erst kürzlich getroffene trägerweite Vereinbarung, die Reha-Nachsorgeeinrichtungen zur Durchführung der Trainingsphase mit ins Boot zu holen, um die Trainingsphase durchzuführen, erweitert die regionale Angebotslandschaft. Ebenso können die zertifizierten Präventionsangebote der Gesetzlichen Krankenversicherung perspektivisch ein weiterer wichtiger Baustein in der Versorgung werden, wenn diese in die Trainingsphase von RV Fit eingebunden werden.
Die Frage, mit der sich die Deutsche Rentenversicherung zugleich beschäftigt, ist, kann RV Fit als „one size fits all-Modell“ alle Beschäftigten erreichen? Einige RV-Träger haben sich auf den Weg gemacht und erproben zielgruppenspezifische Angebote oder Programme mit besonderen Schwerpunkten. Hierzu zählen z. B. Kompaktangebote für bestimmte Berufsgruppen wie Berufskraftfahrende oder Pflegekräfte. Im Rahmen des geförderten Bundesprogramm „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – rehapro“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales werden überdies unterschiedliche Konzepte erprobt. Wissenschaftliche begleitende Evaluationen der Projekte sollen Erkenntnisse darüber liefern, welche Ausgestaltungen sinnvoll sind.
Die Deutsche Rentenversicherung hat sich im Rahmen ihrer Präventionsstrategie vorgenommen, ihre Präventionsleistungen auszubauen und den Zugang für viele Menschen, insbesondere vulnerable Gruppen, leichter zu gestalten 11 11 Präventionsstrategie, Abruf am 10.4.2024 . Dabei sollen die Angebote allen Versicherten über geeignete Kanäle begegnen, individuelle Präventionsbedarfe unkompliziert festgestellt werden und bedarfsgerecht den unterschiedlichen Lebenssituationen entsprechen. Die Einführung des RV Fit-Portals mit digitaler Antragsstellung, die laufende Kooperation mit anderen Sozialversicherungsträgern und der Ü45-Onlinecheck in Form eines niedrigschwelligen Selbsttestes zur individuellen Bedarfsermittlung sind die ersten Schritte zu einem leichten Zugang und helfen dabei, das Interesse an den Präventionsangeboten zu erhöhen.