1. Einleitung
Unmittelbare Beitragszahler gem. § 212a SGB VI sind die gesetzlichen Krankenkassen (KKen), die Bundesagentur für Arbeit (BA), die sozialen (gesetzlichen) und privaten Pflegekassen sowie die Beihilfestellen, Nachversicherungsstellen, die privaten Krankenversicherungen, Unfallversicherung/Berufsgenossenschaft und die Träger der Leistungen nach dem Sozialen Entschädigungsrecht (Vierzehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XIV). Deren Prüfung ist neben der Betriebsprüfung (§ 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch SGB IV), der Einzugsstellenprüfung (§ 28q SGB IV) und der Systemprüfung (§ 95b Abs. 4 SGB IV) Aufgabe der Prüfdienste der Deutschen Rentenversicherung. Die Prüfstellen werden in einem Turnus von mindestens vier Jahren geprüft (§ 212a Abs. 1 Satz 3 SGB IV). In der Praxis werden KKen, BA und Pflegekassen wegen der großen, zu prüfenden Datenmengen aufgrund der Zentralisierung in der Bearbeitung alle zwei Jahre geprüft.
Bei der Vor-Ort-Prüfung begeben sich die Prüfer 1 1 In diesem Artikel wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Entsprechend verwendete Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzend verwendete männliche Form hat ausschließlich redaktionelle Gründe und beinhaltet keinerlei Wertung. zur Prüfstelle und nutzen dort einen eigenen Arbeitsplatz mit Bildschirm und Arbeitsplatzrechner. Dort arbeiten sie mit ihrem Dienstnotebook und haben zusätzlich Zugriff auf die IT-Systeme der Prüfstellen, um darüber den jeweiligen Fall im IT-System der Prüfstelle nachzuvollziehen. Dafür erhalten die Prüfer vorab selektierte Prüfhilfen aus den von der Prüfstelle per Datensatz übermittelten Daten.
Mit der Möglichkeit der Remoteprüfung ändert sich das Setting der Prüfsituation. Während der Corona-Pandemie hat sich das Homeoffice stark ausgeweitet, weg von der Prüfstelle hin zur Prüfung vom Dienstsitz 2 2 Bei den Prüfern der Deutschen Rentenversicherung Bund ist der Dienstsitz gleich Wohnsitz. aus. Die Prüfer nehmen per Remote auf die IT-Systeme und Fachverfahren der Prüfstelle Einblick, können aber eben nicht ihre Listen mit Fragen und Fallanforderungen einem Mitarbeiter der Prüfstelle nebenan vorlegen. Videokonferenzen zwischen Prüfstelle und Remote-Prüfer sind aufgrund der Sicherheitsrestriktionen der einzelnen Prüfstellen nur nach besonderer Vorbereitung möglich und eignen sich auch nicht zum Austausch von Dateien mit Listen zu bestimmten Themen.
2. Funktionsweise
Der Remote-Zugriff ist ein Fernzugriff, über den eine autorisierte Person von einem lokalen Rechner auf entfernte Computer, Server, Netzwerke, Netzwerkkomponenten oder andere IT-Systeme zugreifen kann 3 3 Rosencrance, Remote Access (Fernzugriff), www.computerweekly.com/de/definition/Remote-Access-Fernzugriff (18.7.2023); Luber, Was ist Fernzugriff?, www.security-insider.de/was-ist-fernzugriff-a-1079774/ (18.7.2023). . Die Technik bietet die Grundlage für Arbeit im Homeoffice. Im technischen Support ist die Remote-Technologie schon lange im Einsatz 4 4 Rosencrance, a.a.O. (Fn. 3); Luber, a.a.O. (Fn. 3). .
Am verbreitetsten ist der Fernzugriff unter Verwendung einer VPN-Verbindung (Virtual Private Network), also eine sichere und verschlüsselte Leitung über ein weniger sicheres Netzwerk wie das Internet. VPNs wurden entwickelt, um Remote-Benutzern und Zweigstellen die sichere Anmeldung bei Unternehmensanwendungen zu ermöglichen 5 5 Luber, a.a.O. (Fn. 3); Rosencrance, a.a.O. (Fn. 3). . Dabei benötigt jeder Benutzer einen VPN-Client, der sich mit dem VPN-Server des Zielnetzwerks verbinden kann 6 6 Rosencrance, a.a.O. (Fn. 3). . Die Software des Clients verschlüsselt den Datenverkehr, bevor er über das Internet gesendet wird. Der VPN-Server oder das Gateway am Rand des Zielnetzwerks entschlüsselt die Daten, um sie dem entsprechenden Host im Zielnetzwerk zu schicken 7 7 Rosencrance, a.a.O. (Fn. 3); Citrix.com, How users connect with the Citrix Gateway plug-in, https://docs.netscaler.com/en-us/citrix-gateway/13/vpn-user-config/how-users-connect-with-gateway-plugin.html (18.7.2023). . Eine Darstellung dieser Abläufe zeigt Abb. 1.

Abb. 1: Einsatz eines SSL-Gateways hinter der Firewall
Quelle: TechTarget 2016 in: Cosencrance, a.a.O., Fn. 3.
Sobald der Computer mit dem Remote-Host verbunden ist, zeigt er ein Fenster mit dem Desktop des Zielcomputers an. Nun kann (sofern entsprechende Rechte erteilt wurden) der Zielcomputer über den lokalen Rechner mittels Maus und Tastatur ferngesteuert werden 8 8 Informatik-verstehen.de, Lexikon „R“ - Remote Access, www.informatik-verstehen.de/lexikon/remote-access/; Rosencrance, a.a.O. (Fn. 3). . Bei dem virtuellen Desktop handelt es sich um dieselbe Arbeitsoberfläche, die auch bei der Vor-Ort-Prüfung zur Verfügung steht. Lediglich die Einwahl von extern unterscheidet den Zugang. Einheitliche Grundsätze hinsichtlich der Standards und Voraussetzungen zur Durchführung einer Remoteprüfung wurden in der „Besprechung der Deutschen Rentenversicherung, der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS) früher Bundesversicherungsamt (BVA) 9 9 Seit dem 1.1.2020 BAS - als Verwalter des Gesundheitsfonds zu Fragen der Einzugsstellenprüfungen. . (BEP) beschlossen 10 10 BEP, Anlage zu TOP 3 der Sitzung 1/2019, 29.-30.4.2019 (nicht öffentlich). .
– Exkurs: Beweissicherung
Bei der Prüfung vor Ort werden Screenshots oder Ausdrucke zu fehlerbehafteten Fällen über den Drucker der Prüfstelle erzeugt. Diese werden vom Prüfer während der Prüfung oder zum Abschluss der Prüfung mitgenommen. Rechtlich betrachtet handelt es sich um eine Kopie der Originalunterlagen, teilweise auch um die Kopie einer Kopie. Die Übereinstimmung mit dem Original wird nicht bestätigt. Im Streitfall kann auf die Kopie Bezug genommen werden. Diese ist i.d.R. beweiskräftig bzw. genügt dem Anscheinsbeweis. Über den tatsächlichen Beweiswert der Kopie entscheidet letztlich das Sozialgericht. Es folgt dabei dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die digital vorliegenden Daten sind grundsätzlich keine Urkunden und können, ebenso wie Ausdrucke und Screenshots davon, lediglich als Augenscheinsobjekte i.S.von § 371 Zivilprozessordnung (ZPO) in den Prozess eingebracht und im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO berücksichtigt werden. Daher hat die Arbeitsgruppe Beitragserhebung (AGBE) beschlossen, dass für Unterlagen (also einfache Kopien und Screenshots), die im Rahmen von Prüfungen nach § 28p SGB IV, § 212a SGB VI und § 28q Abs. 1 SGB IV gescannt oder ausnahmsweise ersetzend gescannt werden, die Erstellung eines Transfervermerks nicht erforderlich ist 11 11 AGBE, TOP 10 der Sitzung 1/2022, 16./17.3.2022 (nicht öffentlich). .
Einen erhöhten Beweiswert haben nach §§ 371a, 371b, 416a Zivilprozessordnung (ZPO) nur bestimmte elektronische Dokumente, die qualifiziert signiert oder mit De-Mail versendet wurden (§ 371a ZPO), gescannte öffentliche Urkunden (§ 371b ZPO) oder ausgedruckte öffentliche Dokumente, sofern sie von der ausstellenden Behörde beglaubigt wurden (§ 416a 1. Halbs. ZPO) 12 12 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), Beweiskraft elektronischer Dokumente. . Dieser Beweiswert könnte anlässlich einer Prüfung nur erzielt werden, wenn die Ausdrucke aus dem System der Prüfstelle von dieser vor Übergabe an den Prüfer mit einem Beglaubigungsvermerk versehen werden. Dann würde sie von Augenscheinsobjekten zu öffentlichen (BA) bzw. privaten (KKen) Urkunden werden. Diese könnten dann wiederum beweissichernd nach dem Stand der Technik mit qualifizierter elektronischer Signatur (QES) gescannt werden 13 13 Vgl. Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, BSI Technische Richtline TR-03138. Ersetzendes Scannen, 1.4.1. Aufl., 23.4.2020. .
Bei der Remoteprüfung kann der Prüfer keinen Druck aus dem System der Prüfstelle an seinem Dienstsitz erzeugen. Zur Einhaltung der Datensicherheit dürfen außerhalb von deren Sicherheitsinfrastruktur keine Daten der Prüfstelle ausgegeben werden. Der Prüfer ist gezwungen, eine andere Lösung zu finden. Das Problem wird i.d.R. dadurch umgangen, dass dem Prüfer ein Laufwerk auf dem Server der Prüfstelle bereitgestellt wird. Dort können PDF-Ausdrucke, Excel-Dateien oder sonstige Dokumente gesichert werden. In der Praxis wird auch eine gemeinsame Excel-Tabelle mit den fehlerbehafteten Fällen erstellt, in die sowohl Prüfer als auch Mitarbeiter der Prüfstelle ihre Recherchen und Kommentare sowie Fragen und Antworten zu beanstandeten Fällen eintragen. Zum Abschluss der Prüfung wird diese Datei übermittelt. Alle anderen relevanten beweissichernden Unterlagen werden ausgedruckt und mitgenommen. Alternativ müssten auf einem gesicherten Weg die Daten übertragen werden.
Da über das Remoteverfahren selbst kein Datenaustausch möglich ist, wäre es naheliegend, für die Beantwortung von Fragen oder Nachreichen von Fällen oder Unterlagen einfach eine E-Mail an die Prüfstelle zu schicken. Allerdings muss eine solche Kommunikation den Anforderungen von Datenschutz und IT-Sicherheit folgen. Der Prüfer muss zuvor anhand der Art der zu übersendenden Sozialdaten eine Einschätzung der Schutzbedarfe für seine Anfrage und die Antwort der Prüfstelle vornehmen und nach einem rechtssicheren Kommunikationskanal mit der Prüfstelle suchen. Ob er dann E-Mails oder andere Datenübermittlungsverfahren nutzen kann, hängt von der Art der Daten ebenso ab wie vom einsetzbaren Grad der Verschlüsselung und von deren Sicherheitsniveau. Neben der einfachen, unverschlüsselten E-Mail kann der Prüfer noch E-Mails mit Verschlüsselung (TLS 1.2 mit PFS oder S-MIME) sowie De-Mail oder Cryptshare nutzen.
3. Datenschutzkonformität und Sicherheit
Beim Fernzugriff sollen entsprechende Security-Mechanismen die Remote-Access-Verbindungen schützen und verhindern, dass unautorisierte Rechner eine Verbindung zum entfernten System aufbauen und diese missbräuchlich verwenden, manipulieren oder Daten stehlen 14 14 Luber, a.a.O. (Fn. 3). . Beim Verbindungsaufbau muss sich der lokale Rechner gegenüber dem entfernten System authentifizieren. Nur berechtigte Clients oder Anwender erhalten Zugriff auf die für sie freigegebenen Remote-Ressourcen. Um das unberechtigte Mitlesen der übertragenen Daten zu verhindern, werden die Verbindungen verschlüsselt. Ein hohes Maß an Sicherheit ist durch den Einsatz von Datendirektverbindungen gegeben. Sie stellen eine direkte, physisch geschützte und vom Internet isolierte Verbindungsmöglichkeit zur Verfügung, sind aber im Vergleich zu Internetverbindungen mit erheblichen Mehrkosten verbunden 15 15 Luber, a.a.O. (Fn. 3). .
Datenschutzrechtlich ist zu beachten, dass grundsätzlich die Prüfstelle verantwortlich für ihre Daten (Sozialdaten) i.S.von § 5 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist; sie muss ihre Daten schützen. Ergänzend lassen einige Prüfstellen eine Datenschutz- bzw. Verpflichtungserklärung von den Prüfern unterschreiben, obwohl das nicht erforderlich ist, da es zu den elementaren Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis beim Staat gehört. Ebenso lassen die Prüfstellen i.d.R. keine Ausdrucke/Speicherung von Unterlagen über den Heimarbeitsplatz der Prüfer zu. Vergleichbar der Freischaltung nach Aktivierung des Bildschirmschoners, muss der Remotezugang außerdem, sobald nicht ständig an dem System gearbeitet wird, durch eine PIN und die Passworteingabe freigeschaltet werden. Die Verfahren bleiben im Hintergrund geöffnet, können allerdings nicht erreicht werden. Das unterscheidet sich aber nicht von der Prüfung vor Ort.
Die Zugriffe auf die Standardverfahren während der Prüfung richten sich nach den abgesprochenen und vereinbarten Rechte- und Rollenkonzepten der „Prüferrolle“ 16 16 BEP, TOP 1 der Sitzung 1/2016, 23./24.5.2016 (nicht öffentlich). .
Die Arbeitsgruppe IT-Sicherheit (AGIS) hat die Technologie als unkritisch bewertet und die Absicherung des Verfahrens als ausreichend betrachtet 17 17 AGIS, TOP 12 der Sitzung 4/2019, 20./21.11.2019 (nicht öffentlich). . Auch die Arbeitsgruppe Geheimnis- und Datenschutz (AGGDS) hat die Remoteprüfungen bei der BA als unmittelbarem Beitragszahler datenschutzrechtlich positiv bewertet und hält die Speicherung von Beschäftigtendaten für die Benutzerverwaltung bei der Prüfstelle für zulässig 18 18 AGGDS, TOP 3 der Sitzung 1/2020, 11./12.2.2020 (nicht öffentlich). .
4. Einsatzbereich
Ob die Prüfung mit dem Remoteverfahren durchgeführt wird, entscheidet der Prüfer in Absprache mit der Prüfstelle (Abwägung von Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit). Beginn und Ende der Prüfung müssen wie bisher festgelegt werden (Dauer der Prüfung). Innerhalb dieses Rahmens ist die Einteilung, wann per Remote bzw. vor Ort geprüft wird, frei möglich 19 19 BEP, a.a.O. (Fn. 10), Ziffer 2.2.6. .
Die Remoteprüfung wird im Rahmen der PuB bei BA und Kranken- u. Pflegekassen zur Vermeidung oder Reduzierung von Dienstreisen genutzt. Insbesondere während der Corona-Pandemie war dies eine gute Möglichkeit, dem gesetzlichen Prüfauftrag nachzukommen, ohne die Gesundheit der Mitarbeiter zu gefährden. Demzufolge fanden von 2019 bis 2021 gut 64 % der Prüfungen bei der BA per remote statt. Bei Prüfungen der Kranken- und Pflegekassen lag der Remoteanteil etwa bei zehn Prozent. So konnte die 2019 begonnene Pilotierung von Remoteprüfungen als Alternative zu Präsenzprüfungen etabliert werden. Technische Probleme gab es nur vereinzelt. Bei einer Evaluation wurde jedoch auch deutlich, dass hinsichtlich der Frage einer digitalen Beweissicherung mit den einzelnen Prüfstellen noch Regelungsbedarf besteht. Bedauert wurde von den Prüfern, dass die „kurzen“ Wege zur Prüfstelle durch Remote-Prüfungen mittelfristig verloren gehen können.
5. Einrichtung/technische Voraussetzungen
Jedem Prüfer wurde ein zweiter Bildschirm zur Verfügung gestellt. Dieser ist erforderlich, da bei der Remoteprüfung mindestens die Anzeige von drei Seiten (ca. in DIN A4-Größe) erforderlich ist: Die Prüfer haben grundsätzlich während der Prüfung die Prüfhilfenliste mit Nachberechnungsanlagen (PHLNB), das Fachverfahren der Prüfstelle und die eAkte bzw. das Archiv der Prüfstelle geöffnet. Darüber hinaus kann z.B. zusätzlich noch das E-Mail System geöffnet sein. Eine Prüfung ausschließlich mit dem 15 Zoll Laptop wäre völlig unübersichtlich, da ständig zwischen verschiedenen Fenstern gewechselt werden müsste.
Ziel ist, dass alle RV-Träger über eine Datenaustauschplattform (z. B. Cryptshare), eine Videokonferenzmöglichkeit für gemeinsame Prüfungen und ein dienstliches Smartphone für den Login verfügen. Einige Prüfstellen stellen den Prüfer im Rahmen der Benutzeranlage eine eigene interne E-Mailadresse zur Verfügung und eröffnen den Zugang zum internen Videokonferenztool. Eine stabile Datenverbindung ist ebenso erforderlich. Ausreichend ist eine GPRS-Verbindung, da bereits sehr geringe Bandbreiten zur Datenübertragung genügen.
Hinsichtlich der Umsetzung von Remoteprüfung bei der BA und den KKen gibt es geringfügige Unterschiede.
5.1 Bundesagentur für Arbeit
Die Einwahl zur virtuellen Desktop-Infrastruktur (VDI) der BA erfolgt über einen Web-Link mittels eines HTML5-fähigen Browsers 20 20 BA-Service-Haus, IT-Arbeitshilfe, 2019, Ziff. 2 (nicht öffentlich). . Generell erfolgt eine 2-Faktor-Authentifizierung mittels Passwort und Einmalpasswort (OTP) per SMS-PIN an die vorab hinterlegte Mobilfunknummer des Prüfers 21 21 BA-Service-Haus, a.a.O. (Fn. 20), Ziff. 4. . Der Zugriff wird ausschließlich für den angemeldeten Prüfzeitraum freigeschaltet. Endet der Zeitraum, ist ein Zugriff nicht mehr möglich.
5.2 Kranken- und Pflegekassen
Die Kranken- und Pflegekassen i.S. von § 212a SGB VI nutzen ein Citrix Access Gateway (CAG) mit einer 2-Faktor-Authentifizierung mit OTP über eine Token-App (z.B. Digipass App, OTP SmartToken App, TOPT Authenticator, RSA Securid, SecurID App MS, Authenticator APP) 22 22 Knigge, Lehmann, Handlungsleitfaden Kranken- und Pflegekassen im Sinne von § 212a SGB VI, 4.2.2021, Ziff. 6 (nicht öffentlich). . Die Technik wird auch von den eigenen Homeoffice-Mitarbeitern der Prüfstellen genutzt. Für das CAG-Zielsystem der KK wird durch den IT-Dienstleister ein User-Account mit entsprechenden Berechtigungen eingerichtet 23 23 Knigge, Lehmann, a.a.O. (Fn. 22), Ziff. 4. . Der Zugriff erfolgt browserbasiert, erforderlich ist die Citrix-Workspace-App als Browser Plug-In 24 24 Knigge, Lehmann, a.a.O. (Fn. 22), Ziff. 4. . Diese Software ist den Prüfern vorab auf ihrem Laptop zuzuweisen und die entsprechende URL-Adresse muss durch die IT der Deutschen Rentenversicherung Bund für den Aufruf freigeschaltet werden 25 25 Knigge, Lehmann, a.a.O. (Fn. 22), Ziff. 4. . Zur Eröffnung des Gateways ist eine sogenannte ICA-Datei auszuführen. Es handelt sich um eine Konfigurationsdatei zur Herstellung der Verbindung zu einem Citrix-Anwendungsserver, die bei Aufruf der entsprechenden URL automatisch gestartet wird und einen VPN-Tunnel zwischen dem Client und dem CAG-Zielsystem etabliert 26 26 Knigge, Lehmann, a.a.O. (Fn. 22), Ziff. 4. . Dieser Prozess ist in einem IT-Sicherheitskonzept 27 27 AGIS, a.a.O. (Fn. 17). beschrieben.
Ergänzend kann eine sog. Endpoint Protection (Endpunktkontrolle) als weiterer Sicherungsschritt implementiert werden, mit der z.B. die Sicherheitsanforderung an die Verbindung (TLS-Version usw.) oder der erforderliche Softwarestand auf dem Clientcomputer als Voraussetzung für die Verbindung definiert werden kann 28 28 Vgl. Microsoft Inc., Verwalten von Geräten mit Endpunktsicherheit in Microsoft Intune, https://learn.microsoft.com/de-de/mem/intune/protect/endpoint-security-manage-devices (15.8.2023) Endpoint Manager bzw. Remote-Sicherheitstools werden auch von anderen Softwareherstellern angeboten. .
Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat im Hinblick auf die Nutzung von Token-Apps mittlerweile alle Einzugsstellenprüfer mit einem iPhone ausgestattet, das in die Infrastruktur der Deutschen Rentenversicherung Bund eingebunden ist. Eine Verwendung von privaten Handys ist dienstlich nicht zugelassen 29 29 Expertengruppe Informationssicherheit, Grundzüge der Informationssicherheit, 18.6.2018 Punkt 3.7 (nicht öffentlich). .
5.3 Keine zur RV kompatible Einwahltechnologie
Einzelne Prüfinstitutionen nutzen Remote-Technologien, die mit der IT-Infrastruktur der Deutschen Rentenversicherung Bund nicht kompatibel sind. Daher planen einzelne Prüfstellen, den Fremdversicherungsträgern Notebooks leihweise zur Verfügung zu stellen. Diese werden den Prüfern fest zugeordnet. Die Autorisierung erfolgt über eine App, in der eine eigene Handynummer hinterlegt werden muss. Diese Geräte haben keine eigene LTE-Anbindung und werden über WLAN oder LAN online betrieben. Notwendige Softwareversorgung erfolgt grundsätzlich darüber. Die Geräte sollten jedoch einmal im halben Jahr innerhalb des Netzes der Prüfstelle angeschlossen werden. Es soll ein gemeinsames Gruppenlaufwerk eingerichtet werden, damit auf dem Leihgerät befindliche Daten auch in der IT-Architektur der Prüfstelle gesichert sind und zusätzlich ein Austausch mit den Mitarbeitenden der Prüfstelle gewährleistet ist. Ein technischer Test Ende 2024 wird zeigen, ob diese Lösung praktikabel und zulässig ist.
6. Wirtschaftlichkeit sowie Vor- und Nachteile
Vor Einführung der Remoteprüfungen erfolgte eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (WiBe), um die Auswirkungen der Remoteprüfung auf die Prozessoptimierung bezogen auf den Einzugsstellenprüfdienst aufzuzeigen 30 30 Vgl. AGBE, Anlage 2 zu TOP 10 der Sitzung 4/2020, 26.11.2020 (nicht öffentlich). Die prognostizierten Werte wurden in der WiBe mit Risikoabschlägen berücksichtigt. . In der WiBe wurde anhand der Auswertungen für die Deutschen Rentenversicherung Bund der Gesamtnutzen für die Deutsche Rentenversicherung ermittelt. Im Wesentlichen wurden zwei finanzielle Mehrwerte identifiziert. Zum einen können mit der Remoteprüfung die Reisekosten um bis zu 70% gesenkt werden. Zum anderen wird deutlich, dass Fahrtzeiten entfallen. Als Fahrtzeit können bis zu 2 Stunden pro Prüftag (BA, KG, PVGes) angesetzt werden. Ausgehend von ca. 8 Stunden Arbeitszeit pro Tag entspricht das bis zu 25 % der täglichen Arbeitszeit. Die Arbeitskraft der Mitarbeiter kann durch die Umwandlung von Fahrt- in Arbeitszeit besser genutzt werden 31 31 Vgl. AGBE, a.a.O. (Fn. 30). Die prognostizierten Werte wurden in der WiBe mit Risikoabschlägen berücksichtigt. .
Ausgaben für Software entstehen nicht. Seitens der Deutschen Rentenversicherung wird lediglich die Citrix Workspace App benötigt. Dabei handelt es sich um Freeware. Die Anschaffung der Zugangssoftware obliegt der Prüfstelle.
Das Verfahren hat erhebliche Vorteile sowohl für die Prüfer als auch die Deutsche Rentenversicherung.
- Reduzierung von Reisekosten: Für Remoteprüfungen fallen keine/weniger Tagegelder, Wegstreckenentschädigung und Übernachtungskosten an. Für die Dienstwagen entstehen weniger Kilometerleistung, Spritkosten und Parkgebühren. Der CO2– Ausstoß verringert sich.
- Geringere Fahrtstrecken und -zeiten reduzieren das Unfallrisiko.
- Weniger Dienstreisezeiten: Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
- Verbesserung der Arbeitsgesundheit: Der Dienstsitz ist mit einem ergonomischen Arbeitsplatz ausgestattet.
- Verbesserung der Barrierefreiheit: Der heimische Arbeitsplatz ist entsprechend ausgestattet.
- Der Prüfer kann ungestört arbeiten: Arbeitsqualität und Quantität erhöhen sich.
Die Nachteile des Verfahrens bestehen allenfalls in einer Reduzierung von persönlichen/sozialen Kontakten während der Prüfung und in einer fehlenden Druckmöglichkeit der Beweisunterlagen am Dienstsitz.
Bei einer sinnvollen organisatorischen Ausgestaltung der Remoteprüfungen entstehen auch Mehrwerte für die geprüften Stellen und deren Mitarbeiter:
- Weniger Beeinträchtigung für die Prüfstelle: Besprechungen werden kanalisiert und auf einzelne Tage beschränkt. Mitarbeiter werden weniger gestört und können konzentrierter arbeiten.
- Weniger Büroraum wird beansprucht: Bei großen Prüfstellen müssen die Räume zum Teil frei geplant werden.
- Ein Arbeitsplatz mit Hardware muss nicht zur Verfügung gestellt werden: Teilweise werden die Rechner zur Prüfung angemietet.
- Eine Nachprüfung von Fällen kann leichter erfolgen.
Die zusätzliche Möglichkeit der Remoteprüfung ist ein gutes Instrument im Rahmen des digitalen und demographischen Wandels der Arbeitswelt. Auf diese Weise kann dem Wunsch vieler Arbeitnehmer zu mehr Flexibilität Rechnung getragen und durch weniger Fahrzeiten ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden. Das ungestörte Arbeiten außerhalb der Prüfstelle entlastet. Allein ökonomisch betrachtet führen Remoteprüfungen zu einem erheblichen Mehrwert und sollten weiter forciert werden.
7. Bewertung und Ausblick
Die Remoteprüfung bietet besondere Vorteile und ist im konkreten Einsatzbereich nicht durch andere Übertragungswege zu ersetzen. Allerdings fehlen i.d.R. gesicherte Kommunikationswege zur Beweissicherung für die Prüfer. Sie müssen vom Prüfer im Einzelfall ausgewählt werden. Eine große Erleichterung wäre es, wenn der Prüfer bei einer Remoteprüfung Screenshots mit dem eigenen Tool zwecks Beweissicherung anfertigen und auf dem Dienst-PC ablegen dürfte. So würde der Umweg des Zusendens von Screenshots überflüssig und die Beweissicherung erleichtert. Eine entsprechende datenschutzrechtliche Neubewertung seitens der Prüfstellen wäre wünschenswert. Eine Ende-zu-Ende Digitalisierung des Prüfprozesses würde das befördern: Mit der Einführung der eAkte führt der Prüfer seine Vorgänge elektronisch, so dass die Verwendung von Papier auf ein Mindestmaß beschränkt wird und aufgrund der digitalen Arbeitsumgebung keine physischen Dokumente oder Ausdrucke mehr benötigt werden. Datenschutzrechtliche Bedenken der Prüfstelle in Bezug auf Ausdrucke aus ihrem System am Dienstsitz, dem dienstlich anerkannten Wohnsitz oder am Homeoffice-Arbeitsplatz des Prüfers dürften somit ausgeräumt sein. Zugleich würde das Problem der fehlenden Druckmöglichkeit im Homeoffice bzw. der Beweissicherung aus dem System der Prüfstelle durch den technischen Fortschritt gelöst.
Flankierend ist es sinnvoll, Kommunikationswege anzubieten, die generell die hohen Schutzbedarfsanforderungen erfüllen, um keinen Anlass für Datenschutzverletzungen zu bieten, und mit deren Nutzung der Prüfer auf der sicheren Seite ist. Auch die Nutzung gemeinsamer Arbeitsräume wäre eine mögliche Lösung.
Durch die weitergehende Digitalisierung der Service- und internen Verwaltungsprozesse ist die Option der Durchführung von Remote-Prüfungen ein effizienter und ressourcenschonender Ansatz im Sinne der Optimierung der Prüfprozesse. Mit Beschluss der AGBE 3/2024 TOP 7 wurde eine Unterarbeitsgruppe eingesetzt, um die Ausweitung der Nutzung dieser Technologie auch für die Einzugsstellenprüfung zu erarbeiten. Mittlerweile wurden „Rahmenbedingungen für hybride Prüfungen der Einzugsstellen nach § 28q Abs. 1 und 1a SGB IV“ vorgelegt, vgl. BEP 2/2024 TOP 15.