Seit Beginn der Pandemie ist nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) eine COVID-19-Infektion knapp 203 000 Mal als möglicherweise beruflich bedingte Erkrankung gemeldet worden. In 121 000 dieser Fälle sei die Infektion bereits als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall anerkannt worden. „COVID-19-Infektionen und die Folgen sind derzeit mit Abstand die häufigste Berufskrankheit“, erläuterte der Aachener Arbeitsmediziner und Präsident der DGAUM, Thomas Kraus, zum Auftakt der Jahrestagung der Gesellschaft. Das betreffe im Wesentlichen Beschäftigte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in Laboratorien sowie Berufe mit einem vergleichbaren Infektionsrisiko.
Kraus sprach von einer ganz neuen Herausforderung, auch für die Unfallversicherungsträger. Bisher habe es jährlich rd. 80 000 Verdachtsmeldungen von Berufskrankheiten insgesamt gegeben. An der Spitze lagen hier 7 400 Fälle von Schwerhörigkeit durch Lärm sowie der von Sonneneinstrahlung verursachte Hautkrebs mit rd. 4 000 Fällen im Jahr, gefolgt von asbestbedingten Krankheiten mit etwa 3 100 Fällen.
Bei COVID-19 sehe man nun ganz andere Zahlen, sagte Kraus. In den beiden Pandemiejahren gab es nach Angaben der DGAUM nur für Corona knapp 170 000 Verdachtsmeldungen auf Berufskrankheit, von denen bisher rd. 101 600 von den gesetzlichen Unfallversicherungen anerkannt wurden. „Das ist eine andere Dimension.“ In Kliniken seien Anerkennungsquoten am höchsten. „Da ist die Kausalität am einfachsten abzuleiten.“ Viele Verdachtsmeldungen gebe es auch aus der Pflege und aus Kindergärten.
Als Verdacht auf Arbeitsunfälle wurden knapp 34 000 Fälle gemeldet, von denen bisher rd. 10 400 anerkannt wurden. Hier liege die Quote deutlich niedriger. Die Anerkennung einer Corona-Infektion als Arbeitsunfall sei schwieriger, etwa bei Polizeibeamten, Taxifahrern oder Beschäftigten in Schlachtbetrieben.
Ein Arbeitsunfall könne dann anerkannt werden, wenn die Ansteckung am Arbeitsplatz erfolgte und eine Infektionsgefährdung ähnlich wie im Gesundheitswesen vorliege, erläuterte Kraus. Im Einzelfall sei es teils schwer zu beurteilen, ob sich jemand im Beruf oder privat infiziert habe. „Aus diesem Grund ist hier künftig verstärkt betriebsärztliche Expertise gefragt, wenn es um die richtige Einordnung geht“, sagte Kraus.
Bisherige Schätzungen gingen ferner davon aus, dass es bei drei Prozent der Fälle Corona-Langzeitfolgen wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Erschöpfung oder Atembeschwerden gebe. Das sei aber vermutlich zu niedrig gegriffen. „Die Bewertung einer möglichen Minderung der Erwerbsfähigkeit stellt eine Herausforderung dar.“