1. Einleitung und Zusammenfassung
Erwerbsminderungsrenten 1 1 Zur besseren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet. Wenn nicht gesondert vermerkt, kann eine geschlechtsneutrale Bedeutung unterstellt werden. werden seit 2001 nach § 102 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Regel auf Zeit gewährt. Wenn sich die Leistungsfähigkeit verbessert, besteht somit eine Chance auf Reintegration in den Arbeitsmarkt. Nur als Ausnahme ist vorgesehen, eine Erwerbsminderungsrente sofort als Dauerrente zu gewähren, und zwar dann, wenn es unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung jemals behoben werden kann. Lag der Anteil der Erwerbsminderungsrenten, die als Zeitrenten zugegangen sind, vor 2001 bei unter einem Viertel (Rentenzugang 2000: rd. 24 %), so ist er in den Jahren danach sukzessive auf die Hälfte (Rentenzugangsjahre 2011 bis 2016: rd. 50 %) gestiegen. Im derzeit jüngsten statistisch erfassten Zugangsjahr 2020 liegt der Zeitrentenanteil bei rd. 46 % 2 2 Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.): Rentenversicherung in Zeitreihen, DRV Schriften Bd.22, Berlin 2021, S. 92. . Eine Zeitrente wird maximal auf drei Jahre befristet und durch einen Weitergewährungsantrag ggf. zweimal überprüft, bevor sie spätestens nach neun Jahren in der Regel dauerhaft geleistet wird 3 3 Eine Ausnahme bilden die sog. arbeitsmarktbedingten Erwerbsminderungsrenten, die nach § 102 Abs. 2 SGB VI immer auf Zeit zu gewähren sind. Bei diesen Fällen liegt eine medizinisch indizierte teilweise Erwerbsminderung mit einem Restleistungsvermögen von 3 bis unter 6 Sunden je Tag vor. Diese Rente wird auf eine volle arbeitsmarktbedingte Rente nach § 43 Abs. 2 SGB VI aufgestockt, wenn kein Arbeitsplatz vorhanden ist bzw. vermittelt werden kann. Eine Analyse dieser Subgruppe der arbeitsmarktbedingten EM-Renten bedarf einer gesonderten Untersuchung mit einem anderen Untersuchungsdesign (teilweise Reaktivierung) und wurde daher mit der Analyse dieses Beitrages nicht vorgenommen. .
Zahlreiche Studien beschäftigen sich vor diesem Hintergrund mit der Frage, wie viele Erwerbsminderungsrentner tatsächlich wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Hierbei werden unterschiedliche Abgrenzungen der Untersuchungspopulationen und Definitionen dessen, was unter Reaktivierung zu verstehen ist, vorgenommen 4 4 Vgl. eine aktuelle Auswahl von Studien zu diesem Thema: Köckerling et al.: Return to Work aus einer zeitlich befristeten Erwerbsminderungsrente, Gesundheitswesen 2020; 82: 894–900, Stuttgart 2020. Kardorff et al.: WEMRE Wege psychisch Kranker in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven aus der EM-Rente in Arbeit: Ansatzpunkte zu frühzeitiger Intervention in biografische und krankheitsbezogene Verlaufskurven, Abschlussbericht Januar 2021. . Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit 5 5 Bzw. aus der Perspektive der Verwaltung. ist dabei vor allem auch relevant, wie viele der auf Zeit gewährten Renten bis zu ihrer Entfristung weitergewährt werden und ob der Verwaltungsaufwand, der durch die Bearbeitung der Weitergewährungsanträge entsteht, gerechtfertigt ist. In der vorliegenden Analyse wird die Reintegration in den Arbeitsmarkt an die definitorischen Bedingungen geknüpft, dass nach dem Beginn einer auf Zeit gewährten Erwerbsminderungsrente eine versicherungspflichtige Beschäftigung, unabhängig vom zeitlichen Umfang oder Verdienst, ausgeübt wird und die Rente zu diesem Zeitpunkt weggefallen ist.
Basis der Analysen sind die pseudonymisierten Statistikdatensätze der Rentenzugangs-, Rentenwegfalls- und Rentenbestandsstatistik, die Statistik der aktiv und der latent Versicherten sowie die Versicherungskontenstichprobe 6 6 Es handelt sich hierbei um die Datensätze gemäß der allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Statistik in der Rentenversicherung (RSVwV). . Ein im Jahr 2011 eingeführtes Pseudonym erlaubt es durch Verknüpfungen der Datensätze, sämtliche erfasste Renten über die Berichtsjahre und übergreifend über die Statistikarten zu verfolgen und somit Längsschnittbetrachtungen vorzunehmen. Schwerpunkt bilden die Erwerbsminderungsrenten mit erstmaligem Rentenbeginn im Jahr 2011, deren weiterer Verlauf über zehn Kalenderjahre ab dem Zugangsjahr, bis zum 31.12.2020, erfasst wird. Auf Basis der statistischen Datenlage entspricht das dem längst möglichen Zeitraum, der in die Untersuchung einbezogen werden kann. Die erstmalig als Zeitrenten gewährten Erwerbsminderungsrenten wurden spätestens bis zum Endpunkt der zeitlichen Betrachtung am 31.12.2020 entweder dauerhaft geleistet, als arbeitsmarktbedingte EM-Renten befristet weitergewährt oder sind weggefallen. Die Zugangskohorte 2011 wurde aus den Datensätzen der Rentenzugänge der Jahre 2011 bis 2014 gebildet, weil aufgrund der erforderlichen medizinischen Begutachtung die Bewilligung oft mit einem rückwirkenden Eintritt der Erwerbsminderung (Rentenbeginn) erfolgt und damit auch die statistische Erfassung für im Jahr 2011 begonnene Erwerbsminderungsrenten häufig erst in den Folgejahren stattfand. Mit dieser Datengrundlage wird erstmals die Gesamtheit der Erwerbsminderungsrenten einer Zugangskohorte ausgewertet und im zeitlichen Verlauf betrachtet. Die Perspektive wird zusätzlich um eine monatsgenaue Betrachtung anhand der Stichprobendaten der Versicherungskontenstichprobe (VSKT) erweitert.
2. Ergebnisse auf Basis der Längsschnittverknüpfung der Renten- und Versichertenstatistiken
2.1 Langfristige Ergebnisse der Zugangskohorten verschiedener Jahre
Aus Abb. 1 7 7 Ein tabellarischer Anhang kann auf Nachfrage durch die Autoren (statistik-bln@drv-bund.de) zur Verfügung gestellt werden. geht hervor, dass die Rückkehrhäufigkeit in den Arbeitsmarkt sehr gering ist. Am Ende des zehnten Kalenderjahrs nach Beginn der Erwerbsminderungsrente bezog die Mehrheit der im Jahr 2011 zugegangenen Erwerbsminderungsrentner entweder weiterhin eine Versichertenrente oder war zwischenzeitlich verstorben. Zugleich lag der Anteil der versicherungspflichtig Beschäftigten ohne geringfügig Beschäftigte und ohne parallelen Versichertenrentenbezug lediglich bei rd. einem Prozent. Dabei muss berücksichtigt werden, dass bei Zugängen im Alter von über 53 rd. zehn Jahre nach Beginn der Erwerbsminderungsrente altersbedingt in vielen Fällen nicht mehr mit einer Reintegration in den Arbeitsmarkt zu rechnen ist. Bei einer so niedrigen Reaktivierungsquote stellt sich dennoch die Frage, ob das Instrument der Zeitrente sein Ziel erreicht oder ob es zu reformieren ist. Anhand einer Betrachtung der jüngeren Zugangsjahre wird dieser Frage im weiteren Verlauf der Analyse nachgegangen. Immerhin liegt der entsprechende Wert für die im Jahr 2011 zugegangene Gruppe der Zeitrenten zwar bei 2 % und ist somit doppelt so hoch wie für die übrigen Renten, aber damit immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau. In der Zugangskohorte 2011 wurde etwa die Hälfte der Erwerbsminderungsrenten erstmalig als Zeitrente gewährt. Die unter den Dauerrenten deutlich höheren Anteile der Altersrenten und Verstorbenen lassen sich auf schwerere Diagnosen sowie ein höheres Alter beim Rentenzugang zurückführen. Auf die Zusammenhänge von Alter, Zugangsdiagnosen und weiteren Einflussvariablen auf die hier betrachteten Status wird in den Abschnitten 2.2 und 2.3 näher eingegangen.

Abb. 1: Im Jahr 2011 zugegangene Erwerbsminderungsrenten und ihr Status am 31.12.2020 – Zeit- und Dauerrenten (n = 86 440 / 90 600 / 177 040 Erwerbsminderungsrenten der Zugangskohorte 2011)
*Versicherungspflichtig Beschäftigte ohne geringfügig Beschäftigte und ohne parallelen Versichertenrentenbezug.
**Sonstige aktive Versicherungsverhältnisse, passive Versicherung, ggf. auch Verstorbene aus passiver Versicherung.
Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Sonderauswertung der Rentenzugangs-, Rentenwegfalls- und Rentenbestandsstatistik sowie der Statistik der aktiv Versicherten der Jahre 2011 bis 2020.
Abb. 2 stellt den Versicherungsstatus der Zugangskohorte des Jahres 2011 zu verschiedenen Zeitpunkten jeweils am 31.12. der Jahre 2014, 2017 und 2020 dar. Die Quote der sonstigen Status, welche sowohl alle aktiven Versicherungsverhältnisse ohne pflichtversicherte Beschäftigung, als auch passiv Versicherte und ggf. auch Verstorbene aus passiver Versicherung umfassen, ist zu den drei Betrachtungszeitpunkten mit jeweils rd. zwei Prozent kaum verändert. Der Anteil versicherungspflichtig Beschäftigter ohne geringfügig Beschäftigte und ohne Versichertenrentenbezug lag für die Erwerbsminderungsrentenzugänge 2011 am 31.12.2014 bei rd. 0,6 % und am Ende der Jahre 2017 und 2020 jeweils bei rd. 1,0 %. Im Zeitverlauf bestätigt sich damit die niedrige Reaktivierungsquote, die zudem in den letzten beiden Beobachtungszeitpunkten unverändert war. Größere Veränderungen im Zeitverlauf gibt es erwartungsgemäß beim Anteil der Erwerbsminderungsrenten, der sich im zeitlichen Verlauf mit der Zunahme der Anteile der Verstorbenen und der Altersrenten verringert hat.

Abb. 2: Im Jahr 2011 zugegangene Erwerbsminderungsrenten und ihr Status am Ende der Jahre 2014, 2017 und 2020 – Zeit- und Dauerrenten (n = 177 040 Erwerbsminderungsrenten der Zugangskohorte 2011)
*Versicherungspflichtig Beschäftigte ohne geringfügig Beschäftigte und ohne parallelen Versichertenrentenbezug.
**Sonstige aktive Versicherungsverhältnisse, passive Versicherung, ggf. auch Verstorbene aus passiver Versicherung.
Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Sonderauswertung der Rentenzugangs-, Rentenwegfalls- und Rentenbestandsstatistik sowie die Statistik der aktiv Versicherten der Jahre 2011 bis 2020.
Um zu beurteilen, inwieweit die in Abb. 2 dargestellten Anteile durch einen zeitlichen Trend beeinflusst sind, wird in Abb. 3 der Status der Zugangskohorten der Jahre 2011, 2014 und 2017 jeweils am Ende des dritten Kalenderjahres nach Rentenbeginn dargestellt. Es zeigt sich, dass die Verteilung der Verbleibestatus nach dieser Zeitspanne für die verschiedenen Zugangskohorten nahezu gleich ist. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die in dieser Analyse gefundenen Zusammenhänge für die Zugangskohorte 2011 auch für nachfolgende Zugangskohorten Gültigkeit besitzen. Die Quote der versicherungspflichtig Beschäftigten ohne geringfügig Beschäftigte und ohne parallelen Versichertenrentenbezug liegt für die Zugangskohorten 2011 und 2014 bei rd. 0,6 % und in der Zugangskohorte 2017 bei rd. 0,5 %. Der geringe Rückgang könnte auf demographische Einflüsse zurückzuführen sein: Das Alter bei Beginn der Erwerbsminderungsrente ist in den letzten zehn Jahren gestiegen. Auch die in Abb. 1 dargestellten Unterschiede für Zeit- und Dauerrenten der Zugangskohorte 2011 lassen sich auf die anderen hier dargestellten Zugangskohorten übertragen 8 8 Auf die Darstellung einer differenzierten Betrachtung von Zeit- und Dauerrenten der Zugangskohorten 2014 und 2017 wird an dieser Stelle verzichtet. .

Abb. 3: Im Jahr 2011, 2014 und 2017 zugegangene Erwerbsminderungsrenten und ihr Status jeweils am Ende des dritten Kalenderjahres nach Rentenbeginn – Zeit- und Dauerrenten (n = 177 040 / 170 875 / 167 375 Erwerbsminderungsrenten der Zugangskohorten 2014/2017/2020)
*Versicherungspflichtig Beschäftigte ohne geringfügig Beschäftigte und ohne parallelen Versichertenrentenbezug.
**Sonstige aktive Versicherungsverhältnisse, passive Versicherung, ggf. auch Verstorbene aus passiver Versicherung.
Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Sonderauswertung der Rentenzugangs-, Rentenwegfalls- und Rentenbestandsstatistik sowie die Statistik der aktiv Versicherten der Jahre 2011 bis 2020.
2.2 Einflussfaktoren auf die Reaktivierung
Im Folgenden werden einige Einflussfaktoren auf die Reaktivierungshäufigkeit betrachtet. Die Anteile an Personen mit einer Reaktivierung nach Subgruppen sind in Abb. 4 dargestellt. Einen deutlichen Einfluss auf die Reaktivierung hat das Alter beim Rentenzugang: In der Gruppe der unter 40-Jährigen liegt sie mit rd. 4,0 % am höchsten und halbiert sich in der Gruppe der 40 bis 44-Jährigen auf rd. 2,0 %. Bei den 45 bis 49-Jährigen liegt sie immerhin noch bei rd. 1,5 %, bei den 50 bis 54-Jährigen nur noch bei rd. 0,7 %. Für Erwerbsminderungsrentner, die bei Rentenbeginn 55 Jahre und älter waren, beträgt die Quote erwartungsgemäß null, da spätestens mit Erreichen der Regelaltersgrenze eine Umwandlung in eine Altersrente erfolgt 9 9 Auf Antrag ist bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eine Rentenänderung in eine vorgezogene Altersrente (z.B. Altersrente für schwerbehinderte Menschen) möglich. .

Abb. 4: Reaktivierungshäufigkeit am 31.12.2020 nach Subgruppen für 2011 zugegangene Erwerbsminderungsrenten (n = 177 040 Erwerbsminderungsrenten der Zugangskohorte 2011)
*Versicherungspflichtig Beschäftigte ohne geringfügig Beschäftigte und ohne parallelen Versichertenrentenbezug.
**Sonstige aktive Versicherungsverhältnisse, passive Versicherung, ggf. auch Verstorbene aus passiver Versicherung.
Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Sonderauswertung der Rentenzugangs-, Rentenwegfalls- und Rentenbestandsstatistik sowie die Statistik der aktiv Versicherten der Jahre 2011 bis 2020.
Der Anteil der betrachteten Erwerbsminderungsrenten der Zugangskohorte 2011, der im Jahr 2020 einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ohne Rentenbezug nachgeht, ist über alle Diagnosegrundgruppen hinweg mit rd. 0,2 % bis rd. 1,3 % sehr gering. Die Diagnosen haben jedoch einen deutlichen Einfluss auf die Sterblichkeit, was wiederum mittelbar einen Einfluss auf die Reaktivierung am Arbeitsmarkt hat. Nähere Analysen zum Einfluss der Diagnosen auf die Reaktivierung s. unter 2.3.
Hinsichtlich der Reaktivierungshäufigkeit nach Geschlecht zeigen sich in der bivariaten Betrachtung keine großen Unterschiede. Geschlechtsspezifische Unterschiede gibt es jedoch in der Sterblichkeit: Der Anteil der Zugangskohorte 2011, der zum Auswertungsstichtag des 31.12.2020 bereits verstorben war, lag bei den Männern bei 29 % und bei den Frauen bei 17 %. Männer der Zugangskohorte 2011 haben zwar ein geringfügig höheres Zugangsalter als Frauen, die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Sterblichkeit gelten jedoch auch innerhalb der Altersgruppen. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung haben Männer im Alter von 30 bis 59 Jahren eine um 84 % höhere Sterblichkeit als gleichaltrige Frauen 10 10 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Sterbetafeln 2018/2020, Wiesbaden 2021, eigene Berechnungen .
Insgesamt weisen mit 1 763 Renten sehr wenige der Erwerbsminderungsrenten der Zugangskohorte 2011 im neunten Kalenderjahr nach Beginn der Erwerbsminderungsrente das Merkmal einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ohne Rentenbezug auf. Davon entfallen rd. 97 % auf Personen mit einer ursprünglich befristeten Erwerbsminderungsrente, d. h. die langfristige Reaktivierungsquote ist bei den Dauerrenten beinahe null. Insofern gibt es auf sehr niedrigem Niveau durchaus einen Unterschied hinsichtlich der Widereingliederungsperspektive zwischen befristeten und auf Dauer gewährten Erwerbsminderungsrenten. Es zeigen sich auch grundlegende Unterschiede im Vergleich der Struktur von Zeit- und Dauerrenten: So liegt das durchschnittliche Zugangsalter der dauerhaft bewilligten Erwerbsminderungsrenten mit 54 Jahren deutlich über dem der Zeitrenten mit 48 Jahren. Auch die Zugangsdiagnosen (s. Abb. 5) unterscheiden sich.

Abb. 5: Zeitrentenanteil bei erstmaliger Feststellung einer Erwerbsminderungsrente im Zugangsjahr 2011 nach Subgruppen (n = 177 040 Erwerbsminderungsrenten)
Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Sonderauswertung der Rentenzugangsstatistiken der Jahre 2011 bis 2014 mit Rentenbeginn im Jahr 2011.
Abb. 5 verdeutlicht, dass der Anteil der Zeitrenten vor allem bei psychischen Diagnosen hoch ist. Bei den zerebrovaskulären Krankheiten sowie Stoffwechselkrankheiten halten sich die Anteile der Zeit- und Dauerrenten in etwa die Waage, während bei den übrigen Diagnosegrundgruppen häufiger Dauerrenten bewilligt werden. Insgesamt zeigt sich, dass Zeitrenten grundsätzlich – über alle Diagnosegruppen hinweg – jüngere Zugangsalter aufweisen als Dauerrenten. In den Altersgruppen unter 50 Jahren werden über 70 % der Erwerbsminderungsrenten als Zeitrenten gewährt. Weiterhin erhalten Frauen mit rd. 58 % deutlich häufiger eine befristete Erwerbsminderungsrente als Männer (rd. 48 %). Bei diesen bivariaten Betrachtungen können auch geschlechtsspezifisch unterschiedliche Diagnosen oder das Alter bei Antragstellung eine Rolle spielen. Eine nähere Untersuchung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen Zugangsalter, Diagnosen und Zugängen in Zeit- oder Dauerrenten ist jedoch nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Sie wird jedoch mittelbar in der multivariaten Betrachtung der Einflussfaktoren auf die Reaktivierung von Zeitrenten unter 2.3 aufgegriffen.
Eine besondere Gruppe stellen die Renten wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 6 SGB VI für Personen dar, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert und dies seitdem ununterbrochen waren und eine Wartezeit von 20 Jahren erfüllen. Diese Gruppe hat grundsätzlich einen sehr hohen Anteil an versicherungspflichtiger Beschäftigung, jedoch ohne dass die Rente wegfällt. Zumeist ist mit dieser Rente eine Tätigkeit in einer Werkstatt für Behinderte verbunden. Im Sinne der in dieser Untersuchung verwendeten Definition, bei der die Erwerbsminderungsrente im Zuge einer versicherungspflichtigen Beschäftigung weggefallen sein muss, liegt die Reaktivierungsquote ungefähr bei null.
Eine weitergehende Betrachtung der Daten 11 11 In diesem Artikel nicht dargestellt, vgl. Fn. 7. zeigte, dass komplexe Zusammenhänge zwischen Zugangsalter, Geschlecht, Diagnosen sowie Bewilligungspraxis hinsichtlich Zeit- und Dauerrenten bestehen. Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse multivariater Datenanalysen vorgelegt, um diese Einflussfaktoren auf die Reaktivierungshäufigkeit in den Arbeitsmarkt besser zu erklären und zu quantifizieren. Weil die Reaktivierungshäufigkeit der Dauerrenten nur minimal ist, werden die Dauerrenten bei den nachstehenden Analysen ausgeklammert, d. h. es werden nur Zeitrenten analysiert. Renten wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 6 SGB VI sind ebenfalls nicht Gegenstand der nachfolgenden Analysen, sie werden ohnehin nahezu ausschließlich als Dauerrenten bewilligt. Da der Betrachtungszeitraum am Ende des neunten Kalenderjahres nach Beginn der Erwerbsminderungsrente endet, werden nur Fälle betrachtet, in denen zum Zugangszeitpunkt das 53. Lebensjahr noch nicht vollendet wurde, damit auch die in Altersrenten umgewandelten Erwerbsminderungsrenten weitestgehend herausgefiltert werden.
2.3 Multivariate Betrachtung der Zeitrenten mit einem Zugangsalter bis unter 53 Jahren
Wie in den vorangegangenen Abschnitten dargelegt, ist die Reaktivierungsquote insgesamt auch bei den Zeitrenten mit unter zwei Prozent als sehr gering zu bewerten, allerdings mit einer großen Heterogenität in Bezug auf das Zugangsalter sowie andere Einflussfaktoren. Das bedeutet, dass für befristete Erwerbsminderungsrenten mit einem frühen Zugangsalter grundsätzlich bessere Reaktivierungsquoten zu erwarten sind. In diesem Abschnitt werden die verschiedenen Einflussfaktoren anhand eines multivariaten Modells (logistische Regression) gemeinsam betrachtet. Der Mehrwert gegenüber den im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Kontingenzanalysen besteht in der Möglichkeit, modellbasiert den Einfluss einzelner Variablen in einem „ceteris paribus“ Sinne darzustellen, d. h. unter der Annahme, dass alle übrigen Variablen konstant gehalten werden.
Da für Zugangsalter ab 53 Jahren der langfristige Versicherungsstatus erheblich durch den Zugang in die Rente wegen Alters geprägt ist, wird das Zugangsalter auf bis unter 53 Jahre beschränkt. Das bedeutet effektiv, dass bis auf wenige Ausnahmen Personen betrachtet werden, für die eine Rentenänderung in eine Rente wegen Alters im betrachteten Zeitintervall nicht möglich ist. Es handelt sich in der Untersuchungspopulation dennoch in der Regel um Personen, die zum betrachteten Zeitpunkt bereits im rentennahen Alter sind, was bei der Beurteilung der Beschäftigungsquoten berücksichtigt werden sollte (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1: Status am 31.12.2020 für 2011 zugegangene Erwerbsminderungsrenten mit einem Zugangsalter unter 53 Jahren
*Versicherungspflichtig Beschäftigte ohne geringfügig Beschäftigte und ohne parallelen Versichertenrentenbezug.
**Sonstige aktive Versicherungsverhältnisse, passive Versicherung, ggf. auch Verstorbene aus passiver Versicherung.
Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Sonderauswertung der Rentenzugangs-, Rentenwegfalls- und Rentenbestandsstatistik sowie die Statistik der aktiv Versicherten der Jahre 2011 bis 2020.
Tabelle 1 stellt den Versicherungsstatus am 31.12.2020 für die betrachtete Subgruppe der Personen mit einem Zugangsalter von unter 53 Jahren dar. Es zeigt sich, dass insgesamt rd. 2,9 % der Beziehenden einer Zeitrente des Zugangs 2011 nach zehn Jahren einer Beschäftigung ohne Rentenbezug nachgehen; der Anteil ist damit deutlich höher als die rd. 1,9 % auf Basis der Zeitrenten aller Zugangsalter, aber immer noch gering. Bei den unbefristeten Erwerbsminderungsrenten gibt es hingegen auch unter den jüngeren Zugängen fast keine Fälle mit Reaktivierung. Betrachtet man bei den Zeitrenten lediglich die bis zum 31.12.2020 Überlebenden, dann ergibt sich für die Zeitrenten eine Reaktivierungsquote von rd. 3,3 %.
Basierend auf der in Tabelle 1 dargestellten Teilgesamtheit der Zeitrenten (rechte Spalte) wurde ein logistisches Regressionsmodell jeweils für die Ergebnisvariablen Verstorben, Lebend ohne Rentenbezug und Beschäftigt ohne Rentenbezug geschätzt. Als erklärende Variablen werden wie in den vorangegangenen Abschnitten das Alter (in Jahren), das Geschlecht und die medizinische Diagnose herangezogen. Zusätzlich wurden als Proxyvariable für die Arbeitsmarktbindung bzw. das Erwerbspotenzial die durchschnittlichen Entgeltpunkte aus Beitragszeiten je Beitragsjahr zum Zeitpunkt des Rentenbeginns mit in das Modell aufgenommen. Hinsichtlich der Interpretation der Modellergebnisse ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die geringe Zahl an Reaktivierungen im Datensatz eine „sparsame“ Modellspezifikation verwendet wird, bei der auf Interaktionseffekte zwischen den erklärenden Variablen verzichtet wird. Ebenso werden weitere potenzielle Einflussfaktoren beobachtbarer sowie nichtbeobachtbarer Natur außen vor gelassen. Die Modellergebnisse sind dennoch hilfreich, um die multivariaten Zusammenhänge in einer reduzierten Form darzustellen.
In Tabelle 2 werden die durchschnittlichen marginalen Effekte der logistischen Regression abgebildet. Bei den kategorialen Variablen Geschlecht, Diagnose und klassierte durchschnittliche Entgeltpunkte aus Beitragszeiten ist der marginale Effekt als Unterschied der Ergebniswahrscheinlichkeit für die betrachtete Kategorie gegenüber der Referenzkategorie zu interpretieren wenn alle anderen Variablen konstant gehalten werden. Der marginale Effekt des Alters ist die Veränderung der Ergebniswahrscheinlichkeit bei Erhöhung des Alters (ceteris paribus) um ein Jahr.

Tabelle 2: Marginale Effekte des multivariaten Modells für die Ergebnisvariablen Verstorben, Lebend ohne Rentenbezug sowie Beschäftigung ohne Rentenbezug
*Versicherungspflichtig Beschäftigte ohne geringfügig Beschäftigte und ohne parallelen Versichertenrentenbezug.
Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Sonderauswertung der Rentenzugangs-, Rentenwegfalls- und Rentenbestandsstatistik sowie die Statistik der aktiv Versicherten der Jahre 2011 bis 2020.
Grundsätzlich zeigt sich, dass das Alter sich erhöhend auf die Sterbewahrscheinlichkeit sowie negativ auf die Reaktivierung auswirkt: Erhöht sich das Zugangsalter (respektive das Alter am 31.12.2020) um 1 Jahr, so verringert sich die Wahrscheinlichkeit der Reaktivierung geringfügig um rd. 0,2 Prozentpunkte. Basierend auf den Modellergebnissen verringert sich die Reaktivierungswahrscheinlichkeit zwischen dem Alter 40 und dem Alter 50 allein aufgrund des Alterseffekts um rd. 2,4 Prozentpunkte. Somit bestätigt sich auch in der multivariaten Betrachtung der erhebliche Einfluss des Zugangsalters auf die Reaktivierungswahrscheinlichkeit. Hierbei muss die im Schnitt geringe Reaktivierungsquote von 2,9 % aus Tabelle 1 berücksichtigt werden. Weiterhin zeigt sich, dass sich bestimmte Diagnosen stärker auf die Reaktivierungswahrscheinlichkeit auswirken. Insbesondere die Gruppe der psychischen Erkrankungen (Anteil in der betrachteten Grundgesamtheit: rd. 58,4 %) hat einen starken negativen Effekt von rd. 2,2 Prozentpunkten auf die Reaktivierung. In Bezug auf die Entgeltpunkte aus Beitragszeiten lassen sich für die unteren Quintile ein deutlicher negativer Effekt auf die Reaktivierung und ein starker positiver Effekt auf die Sterbewahrscheinlichkeit feststellen. Hierbei muss jedoch vermutet werden, dass in vielen Fällen bereits vor dem Renteneintritt ein schwerer Krankheitsverlauf zu einem verringerten Erwerbspotenzial geführt hat.
3. Ergebnisse auf Basis des monatlichen Versicherungsverlaufs
Um einen genaueren Einblick in den qualitativen Verlauf der Reaktivierung seit Rentenbeginn zu bekommen, ist eine monatsgenaue Längsschnittbetrachtung sinnvoll. Daher werden im nächsten Schritt die Versicherungsverläufe der VSKT ausgewertet.
Die VSKT 2020 ist eine 2-%-Zufallsstichprobe aller Versicherungskonten am Jahresende 2020 von Versicherten im Alter zwischen 15 und 70 Jahren 12 12 Personen mit einem Alter von über 70 Jahren werden erfasst, sofern sie im Berichtsjahr aktiv Versichert waren mit Ausnahme wegen Bezug einer Vollrente wegen Alters ab dem Erreichen der Regelaltersgrenze versicherungsfrei Beschäftigter. , die im Versicherungsverlauf mindestens eine Beitragszeit oder einen Bonus aus einem Versorgungsausgleich enthalten. Die Auswertungsgesamtheit umfasst alle Personen der VSKT 2020, die in den Berichtsjahren 2011 bis 2020 in der Rentenzugangsstatistik mit einem Rentenzugang erfasst wurden 13 13 Es wurden EM-Rentenzugänge mit Rentenbeginn ab 2005 berücksichtigt, um eine möglichst hohe Fallzahl zu generieren. . Hierbei wurde, wie in den vorangegangenen Abschnitten, die ab dem Berichtsjahr 2011 verfügbare Pseudonymverknüpfung der betreffenden Datensätze genutzt. Es wurden nur Versicherungskonten ausgewertet, für die im Zeitfenster ein erstmaliger Bezug einer EM-Rente im Alter von unter 53 Jahren vorlag. Insgesamt umfasst die Stichprobe 12 951 Personen mit einem durchschnittlichen Alter bei Rentenbeginn von rd. 44 Jahren. Die jüngste Person war bei Rentenbeginn 18 Jahre alt, die älteste Person 52 Jahre. Mit 9 185 Personen wurden rd. 70,1 % der Erwerbsminderungsrenten dieser Auswahl in Form einer Zeitrente gewährt 14 14 Der vergleichsweise hohe Anteil an Zeitrenten ist auf die Beschränkung auf jüngere Zugangsalter zurückzuführen (vgl. die Anteile an Zeitrenten nach dem Zugangsalter in Abb. 5). . In rd. 7,1 % dieser Fälle weist die Statistik zwischen 2011 und 2019 mindestens einmal einen Rentenwegfall wegen Ablaufs der Befristung einer Zeitrente auf 15 15 Die Zahl der Rentenwegfälle wegen Ablaufs der Befristung einer Zeitrente ist in der Rentenwegfallstatistik stark übererfasst, da häufig ein Weitergewährungsantrag verspätet gestellt bzw. bewilligt wird und somit de facto eine unterbrechungsfreie Fortsetzung des Rentenbezuges stattfindet. Gezählt wurden daher in dieser Auswertung als echte Rentenwegfälle nur solche, für die am jeweiligen Jahresende sowie am Ende des darauffolgenden Kalenderjahres kein Bezug einer Erwerbsminderungsrente laut Rentenbestand vorliegt. Es wurden nur Rentenwegfälle der Jahre 2011 bis 2019 betrachtet. .
Durch die Beschränkung auf am Jahresende 2019 lebende Personen 16 16 Verstorbene des Berichtsjahres 2020 sind in der Versicherungskontenstichprobe 2020 enthalten. mit einem Zugangsalter von unter 53 Jahren zum Zeitpunkt der erstmaligen Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ist die Zugangskohorte 2011 in diesem Datensatz in hohem Maße vergleichbar mit der Grundgesamtheit der nicht Verstorbenen aus den vorangegangenen Abschnitten. Die Zugangskohorten der nachfolgenden Jahre 2012 bis einschließlich 2020 enthalten dann jeweils ein Jahr bzw. zwölf Monate kürzere Beobachtungsfenster. In diesen jüngeren Zugangskohorten sind jeweils auch Personen enthalten, die bereits innerhalb von zehn Jahren, jedoch nach Ende des Beobachtungsfensters versterben (werden). Insofern weisen die Beobachtungen zu früheren Zeitpunkten ab Rentenbeginn gegenüber den späteren Zeitpunkten ein etwas höheres Sterberisiko auf. Das sollte bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden.
Abb. 6 stellt den Anteil an Personen mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung (ohne Minijobs) ohne Rentenbezug im Zeitablauf ab dem Monat der erstmaligen Gewährung einer Rente im Beobachtungsfenster dar, mit Unterscheidung danach, ob die Rente ursprünglich als Zeit- oder als Dauerrente gewährt wurde. Die dargestellten 95-%-Konfidenzbänder geben die statistische Unsicherheit aufgrund der verwendeten Stichprobendaten wieder. Bei der Interpretation der Beschäftigungsquoten ist zu berücksichtigen, dass die Unterscheidung zwischen Zeit- und Dauerrenten lediglich zum Zeitpunkt des Rentenzugangs vorgenommen wurde, unabhängig davon, ob im Zeitablauf eine Umwandlung in eine unbefristete Erwerbsminderungsrente oder ein Rentenwegfall erfolgte. Da der Anteil an Rentenwegfällen mit rd. 7,1 % der betrachteten Personen gering ist, kann davon ausgegangen werden, dass die meisten Fälle nach spätestens 108 Monaten in Dauerrenten umgewandelt wurden (vgl. auch die Ergebnisse unter 2.1).

Abb. 6: Beschäftigung ohne Rentenbezug (monatlich) für Zeit- und Dauerrenten (n = 12 951 Erwerbsminderungsrenten)
*Versicherungspflichtig Beschäftigte ohne geringfügig Beschäftigte und ohne parallelen Versichertenrentenbezug.
Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Sonderauswertung der Versicherungskontenstichprobe 2020 und der Rentenzugangsstatistiken der Jahre 2011 bis 2014 mit Rentenbeginn ab 2005.
Bei Rentenbeginn ist für Bezieher einer Erwerbsminderungsrente ein Rückgang der Erwerbstätigkeit festzustellen, wobei bereits rd. ein Jahr vorher eine relativ geringe Erwerbsbeteiligung von rd. 37 % bei den unbefristeten und rd. 32 % bei den befristeten Erwerbsminderungsrenten festzustellen ist. Da befristete Erwerbsminderungsrenten in der Regel nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet werden 17 17 Mit Ausnahme von Fällen, in denen die Erwerbsminderungsrente nach § 101 Abs. 1a SGB VI bereits früher gezahlt wird. , ist bei diesen zumeist bereits sechs Monate vor dem Rentenbeginn eine Beendigung der Beschäftigung zu verzeichnen; bei Rentenbeginn ist die Beschäftigung ohne Rentenbezug definitorisch null 18 18 Eine gewisse Ungenauigkeit hinsichtlich des genauen Rentenbezugsstatus ergibt sich aus der Verwendung unterschiedlicher Datenquellen, insbesondere der Verknüpfung der VSKT 2020 mit Datenstand September 2021 mit den Rentenzugangsstatistiken der Jahre 2011 bis 2020 mit Datenstand Februar der Berichtsfolgejahre. . Die leicht höhere Beschäftigungsquote vor Rentenbeginn bei den Dauerrenten ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass analog zum Beschäftigungskonzept der Versichertenstatistik Beschäftigungen in den anerkannten Werkstätten für Behinderte hinzugezählt werden, die wiederum bei den Dauerrenten eine wesentlich höhere Prävalenz haben. Weiterhin werden in dieser rein deskriptiven Betrachtung keine Korrekturen für die unter 2.2 beschriebenen strukturellen Unterschiede zwischen Zeit- und Dauerrenten vorgenommen. So weisen die in Abb. 6 dargestellten Zeitrenten zum Zeitpunkt des Rentenbeginns ein rd. 35 Monate niedrigeres Zugangsalter als die Dauerrenten zum Zeitpunkt des Rentenbeginns auf (vgl. Ergebnisse unter 2.2).
Die Ergebnisse unter 2.2 zur Rückkehr ins Erwerbsleben bestätigen sich auch anhand der Daten der VSKT. Bei den unbefristeten Erwerbsminderungsrenten ist im gesamten Zeitverlauf ab Rentenbeginn praktisch keine Rückkehr in eine Beschäftigung ohne Rentenbezug zu verzeichnen. Bei den Zeitrenten hingegen hebt sich der Anteil mit einer Beschäftigung nach etwa eineinhalb Jahren vom Wert der Dauerrenten ab und steigt insbesondere bis vier Jahre nach Rentenbeginn. Langfristig wird eine Reaktivierungsquote in Höhe der unter 2.3 dargestellten Ergebnisse erreicht; sie liegt nach neun Jahren bei rd. drei Prozent. Dieser auf Basis der Versicherungskontenstichprobe ermittelte Wert liegt nahe dem in Abschnitt 2.3 ermittelten Wert auf Basis der Zugangskohorte 2011 für die bis zum Jahr 2020 überlebenden Versicherten von rd. 3,3 %. Das ist ein zusätzlicher Hinweis auf die interne Vergleichbarkeit der verwendeten Datenquellen.
Betrachtet man lediglich jene Teilmenge der Zeitrenten, für die im Beobachtungsfenster mindestens ein Rentenwegfall wegen Ablaufs der Befristung im Beobachtungszeitraum erfolgte (Abb. 7), dann ist für diese eine deutlich höhere Beschäftigungsquote zu verzeichnen. Im Zeitraum der ersten drei bis vier Jahre ab Zugang in die Erwerbsminderungsrente ist ein Anstieg der Beschäftigungsquote deutlich erkennbar und auch unter Berücksichtigung der relativ hohen statistischen Unsicherheit noch signifikant vom Niveau der Dauerrenten und sonstigen Erwerbsminderungsrenten verschieden (vgl. Abb. 6). Ab etwa vier Jahren nach Rentenbeginn verbleibt der Anteil mit Beschäftigung in dieser Teilmenge durchgängig bei über 20 %, während er für die Mehrzahl der weiteren Erwerbsminderungsrenten dauerhaft bei unter 5 % liegt 19 19 Dieser Sachverhalt zeigt sich qualitativ auch für andere Abgrenzungen, z. B. für die Gruppe der Zugangsalter zwischen 40 und 52 sowie einschließlich Beschäftigung neben Rentenbezug. . Da unter den Fällen mit einem Wegfall der Zeitrente das Gros der Rentenwegfälle innerhalb der ersten drei Jahre nach Rentenbeginn stattfindet (Häufigkeitsverteilung des erstmaligen Rentenwegfalls in der Stichprobe), stehen der Wegfall der Zeitrente und der Anstieg der Beschäftigung tatsächlich auch in einem zeitlichen Zusammenhang.
Da für diese Betrachtung lediglich das mindestens einmalige Vorliegen eines Rentenwegfalls aufgrund des Ablaufs der Befristung betrachtet wurde, bezieht ein gewisser Anteil dieser beobachteten Wegfälle nach diesem erneut eine Erwerbsminderungsrente, was sich dämpfend auf die Reaktivierungsquote in dieser Gruppe auswirkt. Betrachtet man lediglich die Teilmenge jener Personen, die auch am 31.12.2020 keine Versichertenrente bezogen (Abb. nicht enthalten), dann ist ein noch deutlicherer Anstieg zu verzeichnen: Nach neun Jahren liegt die Beschäftigtenquote dieser Teilmenge (am 31.12.2020 lebende Personen ohne Rentenbezug) bei rd. 39 % und entspricht damit dem Anteil der unter 2.3 zugrunde gelegten Grundgesamtheit auf Basis der Rentenzugangskohorte 2011 (rd. 42 %).

Abb. 7: Beschäftigung* ohne Rentenbezug für die Subgruppe der Zeitrenten mit Rentenwegfall wegen Ablaufs der Befristung (n = 12 951 Erwerbsminderungsrenten)
*Versicherungspflichtig Beschäftigte ohne geringfügig Beschäftigte und ohne parallelen Versichertenrentenbezug.
** Hochgerechnete Häufigkeit anhand Stichprobe.
Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Sonderauswertung der Versicherungskontenstichprobe 2020, Rentenzugang und Rentenbestand der Jahre 2011 bis 2020 sowie Rentenwegfall der Jahre 2011 bis 2019.
4. Fazit und Ausblick
Mit der vorliegenden Datenanalyse konnte erstmals ein Gesamtbild vollständiger Zugangskohorten von Erwerbsminderungsrentnern dargestellt werden. Wie anhand der Zugangskohorte von 2011 gezeigt, liegt die Reaktivierungsquote in den Arbeitsmarkt am Ende des neunten Kalenderjahres nach Rentenbeginn lediglich bei rd. einem Prozent, die Mehrheit (97 %) bezog entweder eine Versichertenrente oder war zwischenzeitlich verstorben. Wie die weiteren deskriptiven Auswertungen zeigen, ist dieses Ergebnis sowohl im Zeitverlauf in den früheren Kalenderjahren relativ konstant als auch auf jüngere Zugangskohorten übertragbar.
Besonderer Fokus wurde auf die Zeitrenten gelegt: Hier zeigt sich für die Zugangskohorte 2011 am Ende des neunten Kalenderjahres nach Rentenbeginn mit rd. zwei Prozent zwar eine deutlich höhere Reaktivierungsquote, die jedoch auch auf einem sehr niedrigen Niveau liegt. Weitere Unterschiede der Zeitrenten zu den unbefristeten Erwerbsminderungsrenten liegen vor allem in zum Betrachtungszeitpunkt niedrigeren Anteilen Verstorbener und Altersrentner sowie in einem höheren Anteil Erwerbsminderungsrentner. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das Zugangsalter bei den Zeitrenten niedriger ist, womit eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Reintegration in den Arbeitsmarkt und eine niedrigere Wahrscheinlichkeit zu versterben einhergehen. Fernerhin ist anzunehmen, dass die Schwere der Krankheiten bei den unbefristeten Erwerbsminderungsrenten höher ist als bei den Zeitrenten.
Innerhalb der Zeitrenten zeigt sich, dass die Reaktivierungsquote durchaus heterogen ist. Anhand der multivariaten Betrachtung wurde gezeigt, dass neben dem Alter auch die Faktoren Geschlecht, Diagnose und durchschnittlich erworbene Entgeltpunkte einen deutlichen Zusammenhang zur Reaktivierung aufweisen: So ist die Reaktivierungsquote bei Männern rd. 0,9 Prozentpunkte höher als bei Frauen mit ähnlichen statistischen Eigenschaften; das unterste Quintil der durchschnittlichen Entgeltpunkte wird rd. 1,1 Prozentpunkte seltener reaktiviert als bei der obersten Quintile.
Zur Beurteilung der Frage, ob der Verwaltungsaufwand der Bearbeitung der Weitergewährungsanträge angesichts der niedrigen Reaktivierungsquoten gerechtfertigt ist, muss auch in Betracht gezogen werden, welchen Einfluss der (drohende) Rentenwegfall der Zeitrenten hat. Aus der Betrachtung des kurz- (Drei-Jahres-) und mittelfristigen (Sechs-Jahres-) Verlaufs (Abb. 2) sowie der monatlichen Verlaufsanalyse anhand der Versicherungskontenstichprobe (Abb. 7) ergibt sich, dass es im Zusammenhang mit Rentenwegfällen wegen Ablaufs der Befristung vor allem in den ersten drei Jahren nach Rentenbeginn zu einem deutlichen Anstieg der Reaktivierungsquoten kommt. Es konnte im Rahmen der Datenanalyse diesbezüglich kein kausales Ursache-Wirkungsschema ermittelt werden, da unklar ist, was geschehen wäre, wenn man die Zeitrenten als unbefristete Renten et vice versa bewilligt hätte. Dennoch ist angesichts dieses Ergebnisses die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass die wiederholte Befristung von Erwerbsminderungsrenten keinen nennenswerten Effekt auf die Reaktivierungsquote hat.
Weiterer Analyse- und Forschungsbedarf besteht für die teilweisen Erwerbsminderungsrenten und die arbeitsmarktbedingten vollen Erwerbsminderungsrenten; diese wurden in der vorliegenden Analyse nicht gesondert betrachtet. Interessant ist hier vor allem die Frage, ob die Reintegration in den Arbeitsmarkt aufgrund des vorhandenen Restleistungsvermögens häufiger gelingt. Für diese Analysen wäre jedoch eine andere als die hier verwendete Definition von Reaktivierung in den Arbeitsmarkt erforderlich, da bei derartigen Renten Beschäftigung während des Rentenbezugs im Fokus der Analysen stehen sollte.
Für weitere Analysen ist auch die Frage interessant, ob Leistungsausweitungen wie die Anhebung der Zurechnungszeiten, einen negativen Einfluss auf die Reaktivierung haben. Zumindest in der hier verwendeten Definition von Reaktivierung zeigte sich in den Analysen der Zugangskohorten 2014 und 2017, die im Vergleich zur Zugangskohorte 2011 bereits von einer verlängerten Zurechnungszeit profitieren konnten, kein nennenswerter Einfluss. Künftig wäre das jedoch insbesondere für die jüngeren Zugangskohorten mit deutlich längeren Zurechnungszeiten und mittels einer weiter gefassten Definition für Reaktivierung (neben dem Rentenbezug) zu überprüfen.