1. Allgemeines
1.1 Betriebsprüfungen nach § 28p SGB IV
Nach § 28p Abs. 1 SGB IV prüfen die RV-Träger, ob die Arbeitgeber ihre Meldepflichten sowie ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Gegenstand der Prüfung ist insbesondere die vom Arbeitgeber vorgenommene Beurteilung der Beschäftigungsverhältnisse bezogen auf die Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit und die abgegebenen Meldungen. Zudem werden die vom Arbeitgeber für die Beitragsberechnung vorgenommenen Beurteilungen des Arbeitsentgelts und die vorgenommenen Berechnungen und zeitlichen Zuordnungen der Beiträge geprüft. Weiterer Gegenstand der Prüfung ist, ob der Arbeitgeber seine nach § 28f Abs. 1 SGB IV bestehende Verpflichtung zur Führung von Entgeltunterlagen erfüllt. Nach § 28p Abs. 1 Satz 4 SGB IV umfasst die Prüfung auch die Entgeltunterlagen für versicherungsfreie Beschäftigte 1 1 Scheer, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. 2021, § 28p, Rdnr. 51. .
Die RV-Träger prüfen nach § 28p Abs. 1a SGB IV im Rahmen der Arbeitgeberprüfungen auch die Erfüllung der Meldepflichten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) sowie die Entrichtung der Künstlersozialabgabe 2 2 Winkler, LPK-SGB IV, § 28p, Rdnr. 20 ff. . Ebenfalls wird die Überwachung der Beitrags- und Meldepflichten der Arbeitgeber nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) nach § 28p Abs. 1c SGB IV i.V.m. § 166 Abs. 2 SGB VII anlässlich der Arbeitgeberprüfungen zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag durch die RV-Träger wahrgenommen 3 3 KassKomm/Wehrhahn, 114. EL Mai 2021, SGB IV § 28p, Rdnr. 16. .
Dabei ist spätestens alle vier Jahre eine Prüfung durchzuführen, die darauf abzielt, die Verjährung von Sozialversicherungsbeiträgen zu vermeiden. Neben den turnusmäßigen Prüfungen finden auch sog. ad hoc-Prüfungen statt. Grund dafür ist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, die Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse, eine Betriebsschließung oder das Fehlen von Beitragsnachweisen für mehr als zwölf Monate. Nach § 28p Abs. 1 Satz 3 SGB IV unterrichtet die Einzugsstelle den RV-Träger, wenn sie eine alsbaldige Prüfung für erforderlich hält.
Weitere Sachverhalte, die eine alsbaldige Prüfung erforderlich machen können, sind Hinweise der Behörden der Zollverwaltung, der Kriminalpolizei oder der Staatsanwaltschaft (Zusammenarbeitsbehörden), sofern es sich nicht nur um geringfügige Meldeverstöße (§ 28a SGB IV) handelt. U.a. unterstützen dabei die RV-Träger gem. § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) die Behörden der Zollverwaltung (Hauptzollämter) bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 2 Abs. 1 SchwarzArbG.
Die Durchführung der Prüfung erfolgt bei allen Stellen, die Personen gegen Arbeitsentgelt beschäftigen (Arbeitgeber). Der Arbeitgeber ist Schuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrages gegenüber der für den Arbeitnehmer zuständigen Einzugsstelle. Die Prüfung wird am Betriebssitz des Arbeitgebers durchgeführt.
Hat ein Arbeitgeber eine andere Stelle (z.B. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechenzentrum) zur Abrechnung der Löhne bevollmächtigt (§ 28p Abs. 6 SGB IV), wird die Betriebsprüfung bei dieser Abrechnungsstelle durchgeführt. Aus verwaltungsökonomischen Gründen sind bei Kleinbetrieben auch Prüfungen in den Räumen des Versicherungsträgers als sog. Vorlageprüfung möglich.
Der Absatz 6a des § 28p SGB IV wurde als Rechtsgrundlage für die elektronisch unterstützte Betriebsprüfung (euBP) m. W. vom 1.1.2012 eingeführt. Danach kann der Arbeitgeber bzw. seine Abrechnungsstelle dem RV-Träger die prüfrelevanten Daten elektronisch im Wege der Datenübermittlung anliefern. Der Verweis in Absatz 6a auf § 146 Abs. 6 Sätze 1 und 2 Abgabenordnung ermöglicht den RV-Träger, die Daten maschinell auswerten zu lassen (z.B. auf Plausibilität und Richtigkeit der Beitragsentrichtung und -abrechnung). Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können für die Prüfung genutzt werden. Das Verfahren ist freiwillig. Die euBP wurde in den letzten Jahren verstärkt von den Arbeitgebern genutzt (2019 von rd. 40%, 2020 von 53% und Stand September 2021 von 59% der Arbeitgeber).
1.2 Einzugsstellenprüfung nach § 28q Abs. 1 SGB IV
Die RV-Träger und die Bundesagentur für Arbeit (BA) sind nach § 28q Abs. 1 SGB IV verpflichtet, die Einzugsstellen mindestens alle vier Jahre hinsichtlich der Aufgaben zu prüfen, für die diese eine Vergütung nach § 28l Abs. 1 SGB IV erhalten. Prüfrelevant sind insbesondere die Geltendmachung der Beitragsansprüche, der Einzug, die Verwaltung, die Weiterleitung und die Abrechnung der Beiträge sowie die Durchführung des Meldeverfahrens. Zusätzlich prüfen die RV-Träger und die BA seit dem 1.1.2011 nach § 28q Abs. 1a SGB IV für das Bundesamt für Soziale Sicherung als Verwalter des Gesundheitsfonds (GF) bei den Einzugsstellen entsprechend § 28q Abs. 1 SGB IV auch die Krankenversicherungsbeiträge als Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags 4 4 Winkler, a.a.O., § 28q, Rdnr. 4. . Die Einzugsstellen haben im Jahr 2020 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in einer Größenordnung von ca. 417 Mrd. EURo eingezogen, davon ca. 224 Mrd. EUR an Rentenversicherungsbeiträgen 5 5 Scheer, a.a.O., § 28q, Rdnr. 24 m.w.N. .
Die Prüfungen erfolgten bisher vor Ort gemeinsam mit dem örtlich zuständigen Regionalträger der Rentenversicherung und der BA. Die jeweilige Prüfdauer ist von der Größe der zu prüfenden Einheiten abhängig. Sie beträgt im Durchschnitt 3-4 Wochen.
1.3 Prüfung unmittelbarer Beitragszahler nach § 212a SGB VI
Nach § 212a SGB VI prüfen die RV-Träger die ordnungsgemäße Beitragszahlung der Pflichtbeiträge, soweit sie diese unmittelbar erhalten. Die zu prüfenden Stellen sind die Krankenkassen, Arbeitsagenturen, Versorgungsämter, Träger der Kriegsopferversorgung, sozialen und privaten Pflegekassen und die Festsetzungsstellen der Beihilfen 6 6 Segebrecht, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl. 2021, § 212a, Rdnr. 26 ff. . Die Prüfungen wurden vor Ort durchgeführt.
2. Erfüllung der Aufgaben in der Pandemie
2.1 Allgemeines
Mit Beginn der Pandemie und der Einstufung von vielen Regionen als Risikogebiet erfolgten Mitte März 2020 erst einmal befristet bis Ende Mai 2020 für die Beschäftigten der Deutschen Rentenversicherung Bund Einschränkungen. Dienstreisen 7 7 Prüftätigkeiten außerhalb eines Dienstsitzes sind Dienstreisen. . wurden grundsätzlich untersagt und der Krisenstab der Deutschen Rentenversicherung Bund entwickelte ein Maßnahmenkonzept zum Umgang mit der Pandemie. Auf dieser Basis hat der Prüfdienst die Regelungen für seine Bedürfnisse angepasst und einen speziellen Wiederanlaufplan entwickelt.
Die personenbezogenen Hygienemaßnahmen wurden bei nicht einhaltbaren Schutzabständen durch das Tragen von Masken, das Verhalten bei Verdacht auf Infektionen, die Möglichkeiten zur Händedesinfektion oder das Verbot von Fahrgemeinschaften gewährleistet. Bei der Terminvereinbarung mussten die Prüfer bereits bestimmte Sachverhalte zur Situation an der Prüfstelle abfragen, z.B. kann der Mindestabstand von 1,50 m eingehalten werden? Ist der Mindestabstand auch bei der Anwesenheit von zwei Prüfern (z. B. mit Begleitung Einzuweisender) gewährleistet oder steht zur Prüfung ggf. ein eigener, ausreichend großer Raum mit Lüftungsmöglichkeiten zur Verfügung? Nach eigenem Ermessen war dann zu entscheiden, ob die Prüfung vor Ort durchgeführt wird.
Auch für die Prüfbüros wurden Vorgaben erstellt. Die Personenzahl in den Räumen wurde auf eine Person je 10 Quadratmeter begrenzt. Viele kleinere Büroräume konnten nur noch durch eine Person genutzt werden.
Zeitgleich wurden Unterstützungsmaßnahmen seitens der BA wegen starker Überlastung bei den Kurzarbeitergeldanträgen durch den Prüfdienst erbeten. In der Zeit von April bis Juli 2020 leisteten 160 Mitarbeiter des Prüfdienstes der Deutschen Rentenversicherung Bund jeweils drei Monate Unterstützung bei der Bearbeitung von Kurzarbeitsgeldanträgen.
Auch nachdem Dienstreisen wieder möglich waren, hatte eine Regel immer oberste Priorität: Personenkontakte sind auf das betriebsnotwendige Minimum zu beschränken. Nur absolut erforderliche Dienstfahrten und Außendiensttätigkeiten durften vorgenommen werden. Durch die Nutzung digitaler Medien waren z. B. Besprechungen vor Ort nicht zwingend notwendig und entfielen.
Im Frühjahr 2021 ist die Frage der Testangebote und die Durchführung von Selbsttests aufgekommen, denn viele Prüfstellen forderten immer häufiger die Vorlage eines Negativtests.
Die Testangebotspflicht des Arbeitgebers nach der aktuellen Corona-Arbeitsschutzverordnung 8 8 Stand September 2021. . gilt zweimal in der Kalenderwoche. Das freiwillige Testangebot betrifft alle Beschäftigten, die in der Woche Außentermine (z.B. Arbeitgeber, Abrechnungsstellen, sonstige Prüfstellen, Prüfbüro) geplant haben.
Nachdem die Infektionszahlen gegen Ende des Jahres 2020 rasant gestiegen waren und Dienstreiseverbote erneut galten, wurde immer deutlicher, dass unsere Gesellschaft noch einige Monate von der Pandemie betroffen sein wird. Die Verjährung von Beitragsansprüchen für nicht durchgeführte Betriebsprüfungen war zu erwarten. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert und mit § 128 SGB IV die außerordentliche Hemmung der Verjährung von Prüfungen, die 2020 und 2021 aufgrund der Pandemie nicht durchgeführt werden konnten/können, eingeführt. So wurden viele Betriebe, deren Prüfung 2020 nicht begonnen werden konnten, mit ins Jahr 2021 übertragen. Das gleiche Verfahren gilt auch im Jahr 2021 9 9 S. dazu Scheer, a.a.O., § 128. .
2.2 Folgen für die Prüfungen
Eine entscheidende Maßnahme war die Intensivierung der Arbeit am Wohnsitz, der gleichzeitig Dienstsitz des Prüfers ist. Das wurde getragen von dem Bemühen, die Aufgaben so gut wie möglich weiter wahrzunehmen. Der Dienstbetrieb hat keinen Vorrang vor der Gesundheit der Mitarbeiter und der Mitmenschen.
Nun lag es am Prüfer selbst, alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, seine beruflichen Aufgaben weiter zu erfüllen. Gespräche mit den Führungskräften, welche Aufgaben jetzt geeignet sind, was ggf. zurückgestellt werden kann und welche arbeitsorganisatorischen Lösungen im Einzelfall gefunden werden können, waren unerlässlich. Die Flexibilität bei Präsenzverzicht und Arbeitszeitgestaltung wurde zur neuen Herausforderung.
Prüfungen nach § 28p SGB IV
Hatte der Prüfer bisher direkten Kontakt mit anderen Prüfern, sei es bei Besprechungen vor Ort, gemeinsamen Prüfungen, bei der Einweisung von neuen Kollegen, war er jetzt allein mit sich und seinem Büro. Umso wichtiger war es nun, die Kontakte durch die vorhandenen Medien wie Skype for Business, Mail und Telefon zu den Kollegen aufrecht zu erhalten. Genauso wichtig waren nun die Kontakte zu Prüfstellen, um die Arbeitgeber durch viele überzeugende Telefonate zur Teilnahme an der euBP oder dem postalischen Versand von Unterlagen für eine Vorlageprüfung zu bewegen. Die zahlreichen Anträge auf Kurzarbeit führten dazu, dass insbesondere die Abrechnungsstellen damit ausgelastet waren. Die Durchführung einer Prüfung vor Ort war daher kaum noch möglich.
Der Kontakt zu den Zusammenarbeitsbehörden bestand fortan hauptsächlich per Telefon oder Mail. Die bisher monatlich durchgeführten „Sprechtage“ zur gemeinsamen Besprechung von Fällen in den Hauptzollämtern entfielen bis Ende Mai 2020 komplett. Danach wurden sie nur sehr eingeschränkt (mit wenigen Personen) durchgeführt, da z.B. die Mitarbeiter der Zollbehörden ihre Arbeit im Homeoffice verrichteten.
Prüfungen nach § 28q SGB IV und § 212a SGB VI
Auch auf Seiten der Prüfstellen im Bereich der Einzugsstellen und unmittelbarer Beitragszahler gab es erhebliche Einschnitte. So bedingten die jeweiligen Hygieneschutzkonzepte ein Entzerren der dortigen Arbeitsplätze. Damit waren keine gesonderten Arbeitsplätze für die Prüfdienste vorhanden. Teilweise fehlte es sogar an entsprechender Hardware bei der Prüfstelle, weil alle verfügbaren Arbeitsmittel für die eigenen Mitarbeiter gebraucht wurden. Hinzu kam, dass die Ansprechpartner sich schlicht selbst im zuhause eingerichteten Ersatzarbeitsplatz befanden.
Bereits vor den Ereignissen im März 2020 waren im Pilotverfahren bei den Prüfungen der unmittelbaren Beitragszahler die Möglichkeiten von Remoteprüfungen getestet worden. Für diese Art der Prüfung wird der technische Service von einschlägigen Anbietern im sogenannten „Remote-Verfahren“ benutzt. Die RV-Träger und die Prüfstellen tauschen dazu entsprechende Sicherheitszertifikate aus, und ein Zugriff auf die Oberfläche der EDV-Verfahren der Prüfstelle ist möglich. Dieser Zugriff erfolgt aus der Ferne von einem beliebigen Ort aus.
Die technische Möglichkeit von Remoteprüfungen hat sich aufgrund der geänderten Situation schnell etabliert. Allerdings war festzustellen, dass es nicht selten zu Komplikationen beim Zugriff kam, weil die Kapazitätsgrenzen bei der Internetverbindung erreicht, oder die technischen Ressourcen bei den Prüfstellen aufgrund der vielen eigenen Zugriffe aus einem im häuslichen Bereich eingerichteten Heimarbeitsplatz bereits an ihre Belastungsgrenzen gestoßen waren.
Cryptshare
Mit der Pandemie gewann das Verfahren Cryptshare zum sicheren Austausch von Dokumenten mit Prüfstellen an Bedeutung.
Cryptshare ist eine Webanwendung, die den einfachen, sicheren und nachvollziehbaren Austausch vertraulicher Nachrichten und Dateien bis zu 2 Gigabyte ermöglicht. Diese werden auf einem zentralen Server in der IT-Infrastruktur der Deutschen Rentenversicherung Bund verschlüsselt abgelegt. Nur autorisierten Anwendern ist der sichere Austausch von Dokumenten zwischen Nutzern im Netz der Deutschen Rentenversicherung Bund und beliebigen Internetnutzern möglich.
Damit wurde ein weiteres Kommunikationsmittel geschaffen, mit dem der Postweg teilweise ersetzt werden konnte. Das ergänzt die euBP in den Bereichen, die nicht von ihr abgedeckt werden und verringert Medienbrüche.
2.3 Folgen für interne Veranstaltungen
Alle Veranstaltungen waren abzusagen. Dazu zählen neben Besprechungen im Prüfbezirk auch die von der Bildungsabteilung der Deutschen Rentenversicherung Bund angebotenen Veranstaltungen. Nach und nach nutzte man neue Medien. Skype for Business wurde zu einem wichtigen Instrument bei der Kommunikation.
In den Prüfteams finden in der Regel monatlich Einsatzbesprechungen statt. Das Team trifft sich dazu im örtlichen Prüfbüro. Teamleiter und Team besprechen vor Ort aktuelle Themen, Neuerungen, Arbeitsanweisungen etc. Es finden gemeinsame Diskussionen und Fallbesprechungen statt. In Pausen oder beim gemeinsamen Mittagessen ist regelmäßig Gelegenheit zum weiteren Austausch.
In der Corona-Zeit entfallen persönliche Kontakte unter den Mitarbeitern komplett, da die Team-Einsatzbesprechungen seit März 2020 per Skype-Konferenz stattfinden. Hier werden Vorträge zu Neuerungen gehalten. Diskussionen zu verschiedenen Fallgestaltungen, wie sie auf den Präsenz-Einsatzbesprechungen regelmäßig stattfanden, sind erschwert möglich, bzw. erfolgten in eingeschränkter Form telefonisch oder per Videokonferenz. Die für die Dienst- und Fachaufsicht erforderlichen Dienstbesuche bei den Prüfern mussten ausgesetzt werden.
2.4 Terminvertretungen bei Sozial- und Landessozialgerichten
Nach § 7a SGB IV können Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber auf Antrag ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung einleiten. Damit soll geklärt werden, ob die aufgrund einer getroffenen Vereinbarung ausgeübte Tätigkeit eine abhängige Beschäftigung mit Bestehen von Versicherungspflicht zu Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung darstellt oder ob diese im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt wird.
Zu diesem Zweck ist bei der Deutsche Rentenversicherung Bund die „Clearingstelle“ eingerichtet worden. Die erforderlichen Terminvertretungen nimmt der Einzugsstellenprüfbereich der Deutschen Rentenversicherung Bund wahr. Die Vertretung der sich durch die Betriebsprüfung ergebenden Terminvertretungen erfolgt durch die Arbeitgeberprüfer.
Im Kalenderjahr 2019 fanden rd. 2 500 Terminvertretungen vor Ort statt. Ab März 2020 kam es zunächst zu einer vollständigen Absage aller Gerichtstermine.
Auch die Sozialgerichtsbarkeit suchte ab diesem Zeitpunkt nach Lösungsmöglichkeiten, um das Rechtsstaatsprinzip in Zeiten einer Pandemielage aufrecht zu erhalten. Das Sozialgerichtsgesetzt (SGG) lässt es nach § 110a zu, Videokonferenzsysteme bei Verhandlungen einzusetzen.
Aufgrund von sicherheitsrelevanten Vorgaben ist es für die Deutsche Rentenversicherung Bund nicht ohne weiteres möglich, sich mit eigenen Arbeitsmitteln an einer solchen Videokonferenz zu beteiligen.
Die Teilnahme an Sozialgerichtsverfahren und Verhandlungen in Strafverfahren aus Anlass von Schwarzarbeitsprüfungen wurde wegen des Verbots von Dienstreisen durch die Abteilung untersagt. Im jeweiligen Einzelfall musste mit dem Gericht geklärt werden, ob ohne mündliche Verhandlung oder ohne Beteiligung der Deutschen Rentenversicherung Bund verhandelt und entschieden werden kann oder ob eine Vertagung möglich ist. Das stieß bei den Gerichten vereinzelt auf Unverständnis. Sofern die örtlichen Gegebenheiten bei den Gerichten es zugelassen haben und dem eigenen Hygieneschutzkonzept entsprachen, erfolgten ab Sommer 2020 teilweise wieder Terminvertretungen. Allerdings wurde das Niveau der Vorjahre mit weniger als 2 000 Terminvertretungen nicht erreicht. Erst seit dem Frühjahr 2021 ist ein vermehrter Anstieg der Terminladungen zu verzeichnen. Der bei den Sozialgerichten aufgelaufene Rückstau führt allerdings zu einer deutlich höheren Anzahl von Terminen und belastet den Außendienst neben den nachzuholenden Prüfungen aus 2020 aktuell zusätzlich.
2.5 Aus- und Weiterbildung, Einweisung und Seminare
Die Corona-Situation hat nichts daran geändert, dass im Prüfdienst Nachwuchskräfte benötigt werden. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hatte im Jahr 2020 bundesweit 100 Neueinstellungen für den Prüfdienst vorgenommen. Um im Prüfdienst tätig zu sein, kann man entweder das Duale Studium als Bachelor of Laws mit Schwerpunkt Prüfdienst absolvieren oder sich als Quereinsteiger mit Berufserfahrung im sozialversicherungsrechtlichen Bereich bewerben. Die Quereinsteiger erhalten eine Einweisungszeit, in der sie an die Prüftätigkeit herangeführt werden. Zahlreiche Seminare warten auf die neuen Kollegen. Sowohl die Tiefen der Sozialversicherung als auch die technische Ausstattung und Anwendungen müssen ihnen in dieser Zeit nahegebracht werden.
Vorstellungsgespräche während der Pandemie
Die Vorstellungsgespräche wurden per Videokonferenz durchgeführt. Der Vorteil bei dieser Vorgehensweise besteht darin, dass der Prozess der Einstellungen beschleunigt wird. Durch die Videokonferenz sind keine langen Anfahrten nötig und die Prüfbezirke können schnell eine Entscheidung über die Auswahl der Bewerber treffen. Jedoch fehlt das persönliche Zusammentreffen mit den Bewerbern und damit ist es nur eingeschränkt möglich, einen ersten Eindruck vom Bewerber zu erhalten.
Einweisung und Seminare für neue Mitarbeiter
Die Betriebsprüfer sind innerhalb des Prüfbezirkes in Teams aufgeteilt. Den neuen Mitarbeitern wird ein „Pate“ aus dem Team zugewiesen, der sie in der Einweisungszeit unterstützt. Um das Team und auch die unterschiedlichen Herangehensweisen beim Prüfen kennenzulernen, werden verschiedene Kollegen in die Einweisung eingebunden.
Während der Corona-Pandemie sind die Möglichkeiten zur persönlichen Zusammenarbeit eingeschränkt, da durch den Wegfall vieler Vor-Ort-Prüfungen ein Einblick in den normalen Alltag eines Prüfers kaum möglich ist. Schwierigkeiten bestehen darin, dass die neuen Kollegen Fragen zunächst sammeln müssen, um diese im Anschluss in einem Telefonat oder Videoanruf zu klären. Fragen und technische Hilfestellungen konnten bisher durch einen anwesenden Kollegen gleich beantwortet oder im Programm gezeigt werden. Dem Einzuweisenden fiel es damit leichter, den roten Faden zu behalten und Unklarheiten zu klären.
Für die neuen Kollegen sind außerdem während der Einweisungszeit mehrere Seminare in Recht und Technik vorgesehen. Diese finden größtenteils in Berlin statt.
Ein rechtliches Seminar ist so gestaltet, dass zuerst die Rechtslage erklärt wird und die Teilnehmer dann die entsprechenden Lösungen zu den Aufgaben erarbeiten. In den Folgeseminaren ist es dann genau andersherum. Die Teilnehmer haben hier die Möglichkeit, Zwischenfragen zu stellen und sich mit den anderen Teilnehmern auszutauschen, um die richtige Lösung zu erarbeiten. Der Austausch untereinander hat den Vorteil, Denkfehler zu erkennen und dadurch einen bleibenden Lerneffekt zu erzielen.
Ähnlich wie bei den rechtlichen Seminaren, wird auch bei den technischen Seminaren den Teilnehmern zuerst das Programm erklärt, um anhand von Übungsfällen das technische Wissen zu festigen.
Durch die Pandemie finden alle diese Seminare online statt. Die Teilnehmer bekommen dazu einen Link für die Videokonferenz. So können sie sich von ihrem Dienstsitz über das Dienstnotebook in die Besprechung einwählen.
Die Leitungskapazitäten für diese Besprechungen mit Bild und Ton sind beschränkt. Daher wird die Videofunktion in der Regel von den Teilnehmern ausgeschaltet und lediglich der Dozent ist sichtbar. Kommuniziert wird überwiegend mit der Chatfunktion. Der Austausch unter den Teilnehmern ist unter diesen Bedingungen aber nur eingeschränkt möglich.
Seminare und Fortbildungen allgemein
Natürlich gibt es neben Schulungsformaten für neue Kollegen oder für alle anderen Mitarbeiter im Prüfdienst Seminarangebote und jährliche Fortbildungen. Aufgrund der Pandemie wurden sie größtenteils abgesagt, da für sie keine dringende Notwendigkeit bestand. Die jährlichen Fortbildungen wurden, wie die Seminare für die neuen Mitarbeiter, online durchgeführt.
3. Bedeutung der elektronisch unterstützten Betriebsprüfung
Seit dem 1.1.2012 ist die euBP gesetzlich zugelassen. Jede Prüfankündigung enthält einen Hinweis zur euBP und ein Datum, bis zu dem die Daten übermittelt werden können. Die Prüfstelle kann über eine in ihrer Software implementierte Schnittstelle das Datenpaket zur Prüfung übermitteln.
Über ein Abrufverfahren kann sich die Prüfstelle jederzeit darüber informieren, wo sich ihre Daten befinden. Seit 2016 kann zusätzlich auch das Ergebnis der Prüfung elektronisch abgerufen werden.
Mittlerweile besitzen neben Lexware und DATEV noch 37 weitere Softwarehersteller 10 10 https://gkv-ag.de/das-verfahren/programme-im-verfahren-der-systemuntersuchung/systemgepruefte-programme-mit-abschluss/; Stand September 2021. die zertifizierte Funktion des euBP-Moduls 11 11 Zuständig für die Zertifizierung ist die Informationstechnische Servicestelle der gesetzlichen Krankenversicherung (ITSG). .
Die Vorteile für die Prüfstelle liegen auf der Hand, denn mit wenigen Klicks hat der Sachbearbeiter der Prüfstelle die Unterlagen bereitgestellt. Sie benötigt auch weder Räumlichkeiten, Personal oder Technik für die Betriebsprüfung vor Ort, da der Prüfer an seinem Dienstsitz die Prüfung durchführen kann. Etwaige zusätzliche Unterlagen fordert der Prüfer bei der Prüfstelle an.
Zum Ende der Prüfung wird ein Schlussgespräch mit den Beteiligten geführt, das auch vor Ort stattfinden kann. Der Betriebsprüfdienst versteht sich als moderner Dienstleister, bei der die Kundenorientierung eine große Rolle spielt. Die Beratung, das Geben von Hinweisen oder das Aufzeigen von Fehlerschwerpunkten sind hier beispielhaft aufzuführen, um die Bedeutung des persönlichen Kontaktes hervorzuheben.
Im Jahr vor der Pandemie (2019) lag der Anteil der von der Deutschen Rentenversicherung Bund durchgeführten euBP-Prüfungen bei 46% Mit dem vorbeugenden Wegfall der „Vor-Ort-Prüfungen“ durch die Dienstreiseverbote wurde der Anteil von euBP-Prüfungen 2020 auf über 60% bei der Deutschen Rentenversicherung Bund gesteigert.
Die Erledigung dieser Fälle war teilweise sehr zeitintensiv. Aufgrund der Pandemie gehen zusätzlich benötigte Unterlagen durch Kurzarbeit, Quarantäne oder Krankheitsfälle in den Prüfstellen teilweise erst nach vielen Wochen ein. Auch stießen viele arbeitende Eltern im häuslichen Büro an ihre Belastungsgrenzen, denn die Kinderbetreuung wegen geschlossener Kindertagesstätten und Schulen erwiesen sich als eine große Herausforderung.
Doch auch der Betriebsprüfer musste feststellen, dass die Anforderung zusätzlicher Belege und Unterlagen, Erinnerungen an die teils mit der Bearbeitung von Kurzarbeitsgeldanträgen belasteten Arbeitgebern und Abrechnungsstellen zu Verzögerungen bei der Abarbeitung der Fälle führt. Bei bestimmten Prüfgebieten – vor allem im Bereich der Künstlersozialabgabe – ist die Anforderung von Belegen unerlässlich. Auch bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung, z. B. von Gesellschafter-Geschäftsführern, kommt es durch die erforderliche Vorlage von Gesellschaftsverträgen oder Satzungen oft zu Verzögerungen und das unabhängig von der Größe des Betriebes. Vor Ort sind die Unterlagen in der Regel zugänglich und die Prüfung kann unmittelbar abgeschlossen werden.
Stattdessen heißt es „Überblick bewahren“ – wo enden Wiedervorlagefristen, wo ist nach Aktenlage zu entscheiden, weil der Arbeitgeber nicht mitwirkt? Eine gute Arbeitsorganisation ist hier unabdingbar. Ist alles für den Prüfabschluss beisammen, besteht die Herausforderung darin, den Arbeitgeber für ein Schlussgespräch zu erreichen.
Die Übermittlung der Finanzbuchhaltungsdaten für die euBP bleibt weiterhin optional. Hier ist bis Ende 2021 eine Machbarkeitsstudie zur strukturierten Übermittlung der notwendigen Daten durchzuführen 12 12 § 127 SGB IV.
Mit Wirkung zum 1.1.2022 sind nach § 8 Abs. 2 Beitragsverfahrensverordnung (BVV) 13 13 § 8 Abs. 2 BVV i.d.F. ab dem 1.1.2022. dem Arbeitgeber elektronisch zur Verfügung zu stellende Unterlagen in elektronischer Form zu den Entgeltunterlagen zu nehmen. § 8 Abs. 3 Satz 1 BVV legt weiter fest, dass die in Abs. 2 genannten Entgeltunterlagen, soweit sie nicht elektronisch aus der Abrechnung des Arbeitgebers entnommen werden können, dem Arbeitgeber von den zuständigen Stellen oder dem Beschäftigten in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen sind 14 14 Der Arbeitgeber kann sich auf Antrag von der Führung von elektronischen Unterlagen bis Ende 2026 befreien lassen gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 BVV i.d.F. ab dem 1.1.2022. .
4. Fazit
Durch die Corona-Pandemie wurde der Einsatz technischer Mittel vorangebracht. Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ist das Videokonferenzsystem Skype for Business nunmehr ein fester Bestandteil. Als Lernmethode ist das e-Learning hinzugekommen. Für Arbeitgeber und Steuerberater werden künftig auch Onlineformate für Vortragsreihen angeboten. Selbst Einstellungsgespräche werden erfolgreich über Videotelefonie durchgeführt. Die Sozialgerichte ermöglichen künftig Gerichtsverhandlungen, ohne dass eine persönliche Präsenz erforderlich ist. Über Cryptshare ist die Nutzung des Austauschs von Dokumenten mit den Prüfstellen intensiviert worden. Die Steigerung der euBP-Prüfquote ist ein positiver Effekt. Die Erledigung dieser Fälle dauert teilweise jedoch länger.
Auch wenn die Prüfer das Arbeiten am eigenen Heimarbeitsplatz gewohnt sind, stoßen viele aufgrund der fast dauerhaften Präsenz am Dienstsitz an ihre Belastungsgrenzen. Oftmals sind verstärkt auch andere Familienmitglieder zuhause tätig.
Der menschliche und kollegiale Kontakt ist aufgrund der dezentralen Struktur nur eingeschränkt möglich. Umso wichtiger sind der Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Arbeitsteam.
Im Bereich der Einweisung findet wesentlich weniger Erfahrungsaustausch statt als bei regulären Einweisungen mit Präsenzschulungen und gemeinsamen Prüfungen vor Ort oder am Dienstsitz eines Kollegen. Der Ablauf der Prüfung vom Vorgespräch bis zum Schlussgespräch bei der Prüfstelle wird nur bedingt in der Praxis vom Einzuweisenden erlebt. Hier ist ggf. mit einer längeren Einweisungszeit zu rechnen. Seitens der Führungskraft ist auch danach verstärkt das Augenmerk darauf zu richten, weitere Unterstützung anzubieten.
Die Auswirkungen der Pandemie werden auch in Zukunft noch zu spüren sein, denn insbesondere viele kleinere Unternehmen mussten oder werden ihre Betriebe schließen; das wird Prüfungen nach sich ziehen. Auch wenn noch keine Steigerungen von Betriebsschließungen (z.B. Insolvenz) zu verzeichnen sind, ist die weitere Entwicklung abzuwarten. Viele ausgefallene Prüfungen müssen noch nachgeholt werden und belasten das Prüfsoll zusätzlich.
Bei den Prüfungen der unmittelbaren Beitragszahler hat sich durch die Pandemielage die Möglichkeit der Remoteprüfung schneller etabliert und wird alle Beteiligten weiter beschäftigen. Da sich die Form der Prüfung verändert, erhöht sich der Kommunikationsaufwand deutlich. Hier müssen alle Beteiligten alte „Denkmuster“ überwinden. Kurze „Türgespräche“ über einzelne Fälle zu führen, reichten nicht mehr. Jede Frage muss in schriftlicher Form aufbereitet und kommuniziert werden. Das gilt auch für die Antworten der Prüfstellen. Aufgrund der Vielzahl der Prüffälle ist der Verwaltungsaufwand erhöht und der Prüfabschluss dauert länger.
Eine besondere Herausforderung stellt die rasante Fortentwicklung der technischen Möglichkeiten dar. Die Einführung ohne weitere Vorbereitung war ein Kraftakt, der allen viel abverlangt hat.
Die kurzfristige Einführung von neuen Kommunikationsanwendungen und neuer Hardware fiel den Prüfern vor dem Hintergrund, dass sie grundsätzlich an ihrem Wohnsitz arbeiten und die neue Technik vor Ort alleine in Betrieb nehmen sollen, nicht immer leicht. Der Kundenservice der Deutschen Rentenversicherung Bund hat aus diesem Grund bebilderte Anleitungen zur Installation bereitgestellt. Im Intranet der Deutschen Rentenversicherung Bund, in der „Gezeigt – Wie“ Mediathek, werden daneben Präsentationen, in denen die anschauliche Vorführung der notwendigen Schritte für einzelne Anwendung erfolgen, vorgehalten.
Der Schreibtisch der Prüfer wird auf absehbare Zeit nicht übersichtlicher und das Motto „Durchhalten!“ zählt mehr als je zuvor. Das Ziel besteht darin, keine Kollegin und keinen Kollegen aufgrund der durch die Pandemie veränderten Arbeitsbedingungen zu verlieren!
Der Prüfdienst wird weiterhin trotz aller Widrigkeiten den gesetzlichen Auftrag in der gewohnten fachlichen Qualität erfüllen.