RVaktuell - Fachzeitschrift und amtliche Mitteilungen
RVaktuell - Fachzeitschrift und amtliche Mitteilungen der Deutschen Rentenversicherung

Die Rechtsprechung des BSG – Entscheidungen aus dem Versicherungs- und Beitragsrecht

RVaktuell 4/2021
Die Reihe wird fortgesetzt mit ausgewählten Entscheidungen aus dem Versicherungs- und Beitragsrecht. Der 5. Senat des BSG hat lediglich Urteile zur Übergangsvorschrift des § 231 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) gesprochen, bei den Entscheidungen des 12. Senats lag der Schwerpunkt auf der Rechtsmacht von GmbH-Geschäftsführern bei unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen.
Susanne Eisenbart ist Mitarbeiterin im Referat Sozialgerichts- und sonstige Verfahrenssachen, berufskundliche Fragen/Abt. Grundsatz der Deutschen Rentenversicherung Bund.

1. Rückwirkende Befreiung für Syndikusrechtsanwälte nach § 231 Abs. 4b SGB VI

Im Zuge der gesetzlichen Neuregelungen für Syndikusrechtsanwälte ab dem 1.1.2016 wurden auch die Übergangsvorschriften in § 231 Abs. 4b SGB VI eingeführt. Nach Satz 1 dieser Norm wirkt die Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auf Antrag von Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung erteilt wurde. Die Befreiung wirkt nach Satz 2 bereits vom Beginn davorliegender Beschäftigungen an, wenn eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Nach Satz 3 wirken die Befreiungen frühestens ab dem 01.04.2014. Für davorliegende Zeiten wirkt die Befreiung dann, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden, Satz 4. Voraussetzung für eine rückwirkende Befreiung ist weiterhin, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nicht vor dem 1.4.2014 bestandskräftig abgelehnt wurde (Satz 5) und dass der Antrag auf Befreiung bis zum 1.4.2016 gestellt worden ist (Satz 6).

  • Rückwirkung nach § 231 Abs. 4b Satz 1 und 2 SGB VI

Im Verfahren B 5 RE 2/19 R war der Kläger zunächst als Rechtsanwalt zugelassen und von der Versicherungspflicht befreit. Am 1.7.2014 hatte er eine neue Tätigkeit bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber aufgenommen. Nach den Urteilen des 5. Senats vom 3.4.2014 (u.a. B 5 RE 9/14 R) hatte er auf seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verzichtet. Infolge des Widerrufs der Zulassung war er ab dem 24.9.2014 nur noch freiwilliges Mitglied im Versorgungswerk. Für eine seit dem 16.2.2016 ausgeübte Tätigkeit wurde der Kläger ab dem 21.3.2016 (Antragseingang) als Syndikusrechtsanwalt von der Versicherungspflicht befreit, die Befreiung ab Beschäftigungsbeginn wurde abgelehnt. Für die vorangegangene Beschäftigung wurde er nur für den Zeitraum vom 1.7.2014 bis 23.9.2014 befreit, für die Zeit ab dem 24.9.2014 wurde die Befreiung jedoch abgelehnt. Der beklagte Rentenversicherungsträger (RV-Träger) hatte seine Entscheidung damit begründet, dass der Kläger seit dem 24.9.2014 nur noch freiwilliges Mitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte gewesen ist.

Der 5. Senat des BSG hat am 26.2.2020 entschieden, dass nach dem ab 1.1.2016 geltenden Recht eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt bereits ab Beginn der Beschäftigung auch dann erfolgen kann, wenn nur eine freiwillige Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk besteht. Eine weitergehende Rückwirkung der Befreiung für eine davor ausgeübte Beschäftigung erfordere hingegen die Pflichtmitgliedschaft.

Der 5. Senat führt aus, § 213 Abs. 4b Satz 1 SGB VI setze seinem Wortlaut nach nur die Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und den fristgerechten Antrag auf einen früheren Beginn voraus. Darüber hinaus fordere das Gesetz keine Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk. Ein solches Erfordernis lasse sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien und vor allem nicht aus den systematischen Zusammenhängen ableiten. Bereits der Kaskadenaufbau der einzelnen Sätze des § 231 Abs. 4b SGB VI mit den erweiterten Tatbestandsvoraussetzungen entsprechend der erweiterten Rückwirkung einer Befreiung spräche dagegen. Die Norm setzte zwar tatbestandlich eine Befreiung von der Versicherungspflicht voraus, sei aber allein auf die Rückwirkung einer Befreiung begrenzt und von der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI zu trennen. Schließlich sprächen auch der Sinn und Zweck der Übergangsregelung, den Status quo vor der Neuregelung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte weitestgehend aufrecht zu erhalten, dafür, die Rückwirkung einer Befreiung nicht von einer Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk abhängig zu machen, soweit ein Bezug zu einem Versorgungswerk bestehe.

Auch hinsichtlich der Rückwirkung einer Befreiung bereits ab Beginn davor liegender Beschäftigungen nach § 231 Abs. 4 b Satz 2 SGB VI sei der Wortlaut maßgeblich. Danach sei eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk während dieser Beschäftigungen Voraussetzung. Einer darüber hinausgehenden Auslegung dahingehend, dass eine freiwillige Mitgliedschaft genüge, stünden die Gesetzesmaterialien entgegen. Diese sähen zwar eine Ausnahme vor und zwar dann, wenn eine formal freiwillig fortgeführte Mitgliedschaft die an sich in einem regional neu zuständigen Versorgungswerk bestehende Pflichtmitgliedschaft ersetzt. Diese Ausnahmeregelung sei jedoch ausdrücklich auf Fälle der nur „formal“ bestehenden freiwilligen Mitgliedschaft infolge Ortswechsel begrenzt und im Fall des Klägers nicht einschlägig. Auch die Regelung des § 231 Abs. 4c SGB VI sei nicht einschlägig. Nach dieser Übergangsregelung wird zwar für Anwälte, die ihre Zulassung vor dem 3.4.2014 zurückgegeben haben, die Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk fingiert. Diese Fiktion gelte aber nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nur im Rahmen der Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. § 231 Abs. 4b Satz 2 SGB VI und § 231 Abs. 4c SGB VI hätten unterschiedliche Regelungsbereiche und könnten nicht miteinander verquickt werden. Schließlich sprechen nach Auffassung des 5. Senats auch systematische Erwägungen für eine eng am Wortlaut orientierte Auslegung. Die Rückwirkung einer Befreiung vom Beginn davorliegender Beschäftigungen an trete per legem ein, ohne dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht für diese Beschäftigung überhaupt geprüft würden. Damit weiche die Regelung des § 231 Abs. 4b Satz 2 SGB VI von der Systematik des Befreiungsrechts ab und sei als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Etwas anderes folge auch nicht aus der Rechtsprechung des BVerfG in den Beschlüssen vom 19.7.2016 (1 BvR 2584/14) und vom 22.7.2016 (1 BvR 2534/14).

  • Rückwirkung nach § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI

Die Klägerin im Verfahren B 5 RE 3/19 R war für eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin rückwirkend ab dem 1.1.2015 sowie für eine davorliegende Tätigkeit vom 1.4.2014 bis 30.9.2014 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) befreit worden. Für die Zeit vom 1.1.2014 bis 31.3.2014 war die Befreiung abgelehnt worden, weil keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung gezahlt worden seien. Für die Klägerin waren im Zeitraum vom 1.1.2014 bis 30.9.2014 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen RV abgeführt worden, gleichzeitig war sie als zugelassene Rechtsanwältin Pflichtmitglied im Versorgungswerk. Dieses hat am 05.08.2014 rückwirkend monatlich 224,90 EUR als „niedrigst-möglichen einkommensbezogenen Beitrag für selbständige Mitglieder“ festgesetzt.

Mit Urteil vom 23.9.2020 hat der 5. Senat des BSG die an das Versorgungswerk gezahlten Grundbeiträge in Höhe von monatlich 224.90 EUR als einkommensbezogene Pflichtbeiträge i.S.von § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI anerkannt und der Klägerin einen Anspruch auf rückwirkende Befreiung ab dem 1.1.2014 zugesprochen.

Anders als die Begriffe „einkommensgerecht“ oder „einkommensabhängig“ impliziere bereits der Gesetzeswortlaut „einkommensbezogen“, dass lediglich ein gewisser Bezug zwischen den gezahlten Beiträgen und dem erzielten Einkommen gegeben sein müsse.

Nach Überzeugung des 5. Senats ergibt sich auch aus systematischen Erwägungen, dass die Zahlung von Grund- oder Mindestbeiträgen anzuerkennen sei. § 231 Abs. 4b SGB VI sei als Übergangsregelung für Syndikusrechtsanwälte im Kontext zu § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu sehen, der wiederum für eine Befreiung von der Versicherungspflicht u.a. voraussetze, dass nach der jeweiligen Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind. Nahezu alle Versorgungswerke sähen pauschale Beiträge in Form von Regelpflichtbeiträgen und Mindestbeiträgen vor. Individuell berechnete Beiträge aufgrund der tatsächlichen Einkünfte würden allenfalls auf besonderen Antrag hin berechnet. Im Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI werde diese pauschalisierte Beitragserhebung von der Rechtsprechung als einkommensbezogen anerkannt. Im Übrigen seien auch im Beitragsrecht der gesetzlichen RV pauschalisierte Beiträge, wie der Regelbeitrag, der halbe Regelbeitrag und der Mindestbeitrag üblich und als einkommensbezogen anerkannt.

Schließlich sprächen auch Sinn und Zweck des § 231 Abs. 4 SGB VI für eine Anerkennung der Mindest-/Grundbeiträge zu einem Versorgungswerk als einkommensbezogen. Nach den Senatsurteilen vom 3.4.2014 habe der Gesetzgeber des ab 2016 geltenden neuen Befreiungsrechts den Status Quo möglichst aufrechterhalten wollen, Syndikusrechtsanwälte sollten zur Vermeidung von Brüchen in deren Versicherungsbiographie in den Versorgungswerken verbleiben können. Dieser Intention könne man am effektivsten gerecht werden, wenn die in den Satzungen der Versorgungswerke vorgesehenen Mindest-/ Grundbeiträge als einkommensbezogenen Pflichtbeiträge i.S.von § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI anerkannt würden. Der Senat sehe sich darin auch bestätigt durch die Kammerbeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom Juli 2016 (1 BvR 2534/14 und 1 BvR 2584/14).

Der 5. Senat geht in seiner Auslegung sogar noch weiter. Für die Rückwirkung einer Befreiung sei es nicht erforderlich, dass einkommensbezogene Pflichtbeiträge gerade für diejenige Beschäftigung gezahlt worden seien, für die die rückwirkende Befreiung beantragt werde. Anders als in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sei in § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI gerade nicht formuliert „Beschäftigung (…) wegen der“. Es reiche aus, wenn „für diese Zeiten“ einkommensbezogene Pflichtbeiträge gezahlt worden seien, also ein zeitlicher Bezug bestehe. Dann sei auch die Zahlung von Beiträgen nur für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit an ein Versorgungswerk für den Eintritt der Rückwirkung ausreichend, sofern für die abhängige Beschäftigung als Syndikusrechtsanwalt keine Befreiung in der gesetzlichen RV erfolgt sei.

2. Fortwirkung einer Befreiung nach § 231 Abs. 1 Satz 1 SGB VI

Nach der Übergangsvorschrift des § 231 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bleiben Personen, die am 31.12.1991 von der Versicherungspflicht befreit waren, in derselben Beschäftigung befreit.

Im Verfahren B 5 RE 6/19 R war der Kläger aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt im Oktober 1989 in die freie Wirtschaft gewechselt. Vom RV-Träger war ihm auf seine Anfrage hin schriftlich mitgeteilt worden, seine Befreiung von der Versicherungspflicht durch den Bescheid vom 1.3.1989 bestehe weiterhin, solange er noch Pflichtmitglied oder freiwilliges Mitglied im Versorgungswerk sei. Im Jahr 2005 war der Kläger kurzzeitig zu einem anderen Arbeitgeber gewechselt und ab November 2005 erneut bei seinem ursprünglichen Arbeitgeber angestellt. Im Juli 2014 bat der Kläger den RV-Träger ohne Erfolg um schriftliche Bestätigung seiner Befreiung von der Versicherungspflicht.

Mit Urteil vom 23.9.2020 hat der 5. Senat des BSG entschieden, dass sich eine Freistellung von der Versicherungspflicht weder aus dem ursprünglichen Befreiungsbescheid ergebe noch aufgrund Vertrauensschutzes infolge der schriftlichen Auskunft des RV-Trägers aus dem Jahr 1989.

Der Senat habe mehrfach klargestellt, dass auch die nach § 7 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) erteilten Bescheide nur die im zugrundeliegenden Antrag bezeichnete Beschäftigung beträfen und deshalb tätigkeitsbezogen gewesen seien. Deshalb habe sich die mit Bescheid vom 1.3.1989 ausgesprochene Befreiung mit Aufgabe der Tätigkeit als Rechtsanwalt im Jahr 1989 erledigt.

Auch eine aufgrund Vertrauensschutzes möglicherweise zugunsten des Klägers zu berücksichtigende Befreiung könne nur im begrenztem Umfang des § 231 Abs. 1 Satz 1 SGB VI fortwirken. Nach dieser bewusst vom Gesetzgeber so erlassenen Regelung bleibe eine vor dem 1.1.1992 ausgesprochen Befreiung nur für die am Stichtag des 31.12.1991 konkret ausgeübte Beschäftigung weiterhin gültig (vgl. auch Urteil des 12. Senats des BSG vom 31.10.2012, B 12 R 3/11 R). Für den Kläger habe sie sich mit Aufgabe der Beschäftigung im Februar 2005 erledigt.

Die Befreiung sei auch nicht wieder aufgelebt, als der Kläger im November 2005 erneut eine Beschäftigung bei seinem ursprünglichen Arbeitgeber aufgenommen habe. Desssen ungeachtet, dass es sich im konkreten Fall des Klägers nach den prägenden Merkmalen nicht um dieselbe Beschäftigung wie am Stichtag des 31.12.1991 gehandelt habe, könne eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht wieder aufleben, wenn sie einmal weggefallen sei. Die Funktion des § 231 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sei die Überleitung in das neue, ab dem 1.1.1992 geltende SGB VI. Diese Übergangswirkung habe mit Beendigung der Beschäftigung geendet und habe nicht durch einen vollständig unter der Geltung des neuen Rechts verwirklichten Sachverhalt wieder neu entstehen können.

Etwas anderes lasse sich wegen des völlig anderen Regelungsziels auch nicht aus dem Rechtsgedanken des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI ableiten.

3. Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Geschäftsführern – Rechtsmacht und Treuhandvertrag

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG richtet sich der sozialversicherungsrechtliche Status des Geschäftsführers einer GmbH danach, inwieweit er aufgrund des Gesellschaftsvertrags die Rechtsmacht besitzt, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern oder Beschlüsse zu beeinflussen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 19.9.2019 – B 12 R 25/18 R).

Der 12. Senat hat diese Rechtsprechung am 12.5.2020 in drei Urteilen ohne mündliche Verhandlung bestätigt (B 12 R 5/18 R, B 12 R 11/19 R und B 12 KR 30/19 R).

Die klagenden Geschäftsführerinnen du Geschäftsführer in diesen Verfahren hielten 70 v.H., 90 v.H. und 100 v.H. der Anteile am Stammkapital der jeweiligen GmbH und verfügten somit über einen beherrschenden, die Annahme einer abhängigen Beschäftigung ausschließenden Einfluss auf die Gesellschaft. Dieser beherrschende Einfluss sei ihnen auch nicht durch die abgeschlossenen Trauhandverträge genommen worden. Der Senat habe bereits entschieden, dass außerhalb des Gesellschaftsvertrags getroffene Abreden wie Veto-Rechte oder Stimmbindungsabreden die Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung verschieben könnten. Das gelte auch für Treuhandverträge, weil diese lediglich schuldrechtliche Wirkungen zwischen den Vertragsparteien entfalten würden. Ein treuwidriges Abstimmungsverhalten führe nicht zu einer Unwirksamkeit gefasster Beschlüsse, sondern lediglich zu einer Schadensersatzpflicht des Treuhänders gegenüber dem Treugeber.

Das gilt nach Auffassung des 12. Senats auch dann, wenn der Treuhänder verpflichtet ist, die Geschäftsanteile bei Beendigung des Treuhandverhältnisses auf den Treugeber zu übertragen. Für die Statusbestimmung seien ausschließlich die tatsächlichen Verhältnisse im zu beurteilenden Zeitraum maßgeblich, nicht jedoch eine erst nach weiteren Rechtshandlungen denkbare Rechtsmacht.

4. Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Geschäftsführern – Rechtsmacht und Stimmrechtspool

Der 12. Senat hat seine Rechtsprechung am 7.7.2020 in einem weiteren Urteil (B 12 R 17/18 R) auch für einen notariell vereinbarten Stimmrechtspool bestätigt.

In dem entschiedenen Fall hatte der Kläger mit seinem Vater einen notariell beurkundeten Stimmrechtspool nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG) als Innengesellschaft des Bürgerlichen Rechts vereinbart. Danach waren beide verpflichtet, das sich aus ihren Anteilen an der GmbH ergebende Stimmrecht gegenüber den nicht gebundenen Gesellschaftern nur einheitlich auszuüben.

Der Senat führt aus, der Kläger habe als Minderheitsgesellschafter ohne umfassende Sperrminorität nicht die erforderliche Rechtsmacht, um sozialversicherungsrechtlich als Selbständiger qualifiziert zu werden. Auch die notarielle Poolvereinbarung könne daran nichts ändern, diese sei lediglich schuldrechtlich vereinbart und nicht im Gesellschaftsvertrag verankert. Da die Vereinbarung nicht ins Handelsregister eingetragen worden sei, erfülle sie nicht die formalen Anforderungen für eine Satzungsänderung und genüge somit auch nicht dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit beitragsrechtlicher Tatbestände. Der Vater des Klägers sei lediglich schuldrechtlich gebunden gewesen, habe sein satzungsmäßiges Stimmrecht im Konfliktfall jedoch jederzeit rechtswirksam ausüben können.

5. Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Geschäftsführern bei zusätzlichen gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen

Der Vollständigkeit halber sei schließlich verwiesen auf fünf Urteile des 12. Senat des BSG vom 8.7.2020 zum sozialversicherungsrechtlichen Status von Geschäftsführern einer GmbH, die wiederum gesellschaftsrechtliche Verflechtungen mit weiteren Gesellschaften hatte, beispielsweise als Komplementärin einer GmbH & Co KG.

Eine umfangreiche Schilderung des jeweiligen Sachverhalts wäre zum Verständnis der Urteile unerlässlich, würde aber den Rahmen dieses Artikels sprengen. Deshalb wird von einer Darstellung der Entscheidungen B 12 R 2/19 R, B 12 R 26/18 R, B 12 R 4/19 R, B 12 R 6/19 R und B 12 R 1/19 R abgesehen.

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