1. Geschäftsgang
Der Bedarf an einer Klärung grundsätzlich bedeutsamer sozialrechtlicher Rechtsfragen ist trotz eines leichten Rückgangs der Eingänge über alle Verfahrensarten weiterhin groß.
Die Zahl der Revisionen bewegt sich mit 311 Verfahren fast auf Vorjahresniveau.
Erledigt wurden 2021 337 Revisionen (2020: 283) und 1 672 Nichtzulassungsbeschwerden (2020: 1 856). Der Bestand an unerledigten Revisionen am Jahresende 2021 hat sich damit gegenüber dem Jahresanfang um rd. 8,5% verringert. Auch insgesamt ist der Bestand der unerledigten Verfahren auf 966 (2020: 1 108) gesunken.
Gestiegen ist wiederum die Zahl der erledigten Anträge auf Prozesskostenhilfe, über die 2021 zu entscheiden war. Wurde 2020 über 649 Anträge entschieden, waren es 2021 718 (+10,6%). Zumeist werden Anträge auf Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gestellt. Das BSG muss dann unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Gesichtspunkte prüfen, ob ein Prozessbevollmächtigter mit einer Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision erreichen könnte, denn in den Verfahren vor dem BSG besteht ein Vertretungszwang.
Neben den Anhörungsrügeverfahren sind auch die Verfahren nicht zu vernachlässigen, die beim BSG 2021 in das Allgemeine Register (AR) eingetragen worden sind (insgesamt 202), weil sie nicht erkennen lassen, ob es sich um eine Revision, eine Klage, einen Antrag auf Prozesskostenhilfe, eine Anhörungsrüge gegen eine Entscheidung des Bundessozialgerichts oder einen Rechtsbehelf gegen eine andere gerichtliche Entscheidung handelt. Das bedeutet einen Anstieg von 9,2% gegenüber dem Vorjahr (2020: 185 Verfahren).
Weiterhin wendet sich auch eine große Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern an das BSG mit Anliegen, die nicht mit beim BSG anhängigen Verfahren zusammenhängen. Oft wird irrtümlich davon ausgegangen, dass das BSG anderen Gerichten oder den Behörden Weisungen für dort laufende Verfahren oder allgemeinen Inhalts erteilen könne. Andere wünschen, das Gericht möge für sie eine bestimmte Rechtsfrage in ihrem Einzelfall beurteilen, ihnen Rechtsauskünfte erteilen oder sie bei der Recherche in Rechtsgrundlagen, Rechtsprechung und Literatur unterstützen. In den meisten Fällen beschränkt sich das BSG dann nicht auf einen schlichten Hinweis auf seine Unzuständigkeit, sondern versucht, die Bürgerinnen und Bürger im Rahmen seiner tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten zu unterstützen, insbesondere durch Nennung der richtigen Ansprechpersonen oder die Erteilung allgemeiner Auskünfte.
Auf hohem Niveau verblieben sind Eingaben per einfacher E-Mail, die zum Teil mit vielfältigen Anlagen an die E-Mail-Adresse des BSG übersandt werden. Sie sind auf ihre Relevanz für ein bereits anhängiges Verfahren zu prüfen, auch wenn die Übermittlung von Verfahrensanträgen an das BSG auf diesem Weg nicht rechtswirksam möglich ist. Seit dem 1.1.2018 ist die Übermittlung von E-Mails formwirksam per De-Mail nach dem De-Mail-Gesetz zulässig. Zu beachten sind insoweit außerdem die Regelungen des § 65a Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur elektronischen Signatur und des § 2 der Elektronischen-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) zu den Anforderungen an elektronische Dokumente.
Im Jahr 2021 sind insgesamt 2 806 Verfahren (Vorjahr 2 903 Verfahren), gerechnet über alle Verfahrensarten, beim BSG eingegangen. Damit liegen die Eingangszahlen leicht unter dem Niveau des Vorjahres. Die Veränderungen lassen sich insbesondere mit einem leichten Rückgang der Verfahrenseingänge bei den Revisionen um 4% (311 Verfahren gegenüber 324 im Vorjahr) und den Nichtzulassungsbeschwerden (1 574 im Vergleich zu 1 728 Verfahren 2020) um 8,9% erklären. Demgegenüber sind mit 336 Anhörungsrügen 24,6% mehr dieser Verfahren als im zurückliegenden Jahr (269 Verfahren) beim BSG anhängig gemacht worden.
Auch 2021 ist der überwiegende Teil der Revisionen nach Zulassung durch die Landessozialgerichte (LSG) eingelegt worden.
2. Übersicht über Bestand und Erledigungen
Die Verteilung der im Jahr 2021 eingegangenen 311 Revisionen (2020: 262) auf die einzelnen Sachgebiete sowie die Übersicht über die letzten fünf Jahre ergibt erneut ein differenziertes Bild. Im Bereich der Rentenversicherung ist z. B. ein nahezu gleichbleibender Eingang zu verzeichnen. Im Bereich der Arbeitslosenversicherung und der sonstigen Angelegenheiten nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gab es dagegen einen starken Anstieg. Dengegenüber gab es im Bereich der Krankenversicherung einen Rückgang.
Die Eingangszahlen bei den Nichtzulassungsbeschwerden lagen 2021 mit 1 574 bedeutend niedriger als 2020 (1 728).
Zur Verteilung der im Jahr 2021 eingegangenen Nichtzulassungsbeschwerden ist festzuhalten, dass in fast allen Bereichen eher stark gesunkene Eingangszahlen zu verzeichnen sind. Eine Ausnahme bilden hier allerdings die Eingangszahlen der Rentenversicherung mit +13% und die der Angelegenheiten nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) mit +12%.
3. Erledigungen: Revisionen
Die im Jahr 2021 erledigten 494 Revisionen gliedern sich nach der Art der Erledigung wie folgt: durch Urteil in 157 Fällen, davon durch abschließende Entscheidung in 119 Fällen, durch Zurückverweisungen an die Vorinstanz in 38 Fällen, durch Beschluss in 82 Fällen und auf sonstige Weise in 98 Fällen.
4. Erledigungen: Nichtzulassungsbeschwerden
Von den im Jahr 2021 abgeschlossenen 1 672 Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren sind durch Beschluss 1 304 Beschwerden und auf sonstige Weise 368 Beschwerden erledigt worden. Dabei ist in den durch Beschluss erledigten 1 304 Verfahren die Beschwerde als unzulässig verworfen worden in 1 177 Fällen, die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen worden in 44 Fällen und in 83 Fällen (2021: 6,4% der Fälle, 2020: 8,2%) war die Beschwerde erfolgreich, d. h. zulässig und begründet (einschließlich Zurückverweisungen an das LSG).
5. Erledigung: Anhörungsrügeverfahren
2021 wurde mit 331 eine höhere Zahl an Anhörungsrügeverfahren erledigt (2020: 284).
Bei der Beurteilung der Erfolgsquote der Nichtzulassungsbeschwerden ist eine Besonderheit zu beachten: § 160a Abs. 5 SGG eröffnet dem BSG die Möglichkeit, bereits auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin die Entscheidung der Berufungsinstanz aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen; Voraussetzung für ein solches Vorgehen ist, dass mit der Beschwerde ein Verfahrensfehler der Vorinstanz sachgerecht gerügt wurde und dieser Fehler auch tatsächlich vorlag. Von dieser Möglichkeit der sofortigen Zurückverweisung hat das BSG im Jahr 2021 insgesamt 22-mal (2020: 31-mal) Gebrauch gemacht.
6. Verfahrensdauer
Die durchschnittliche Verfahrensdauer der im Jahr 2021 erledigten Revisionen betrug 9,3 Monate gegenüber 11,8 Monaten im Jahr 2020. 64,7% der Verfahren wurden innerhalb eines Jahres erledigt (in 2020 48,1%).
Auch die Nichtzulassungsbeschwerden konnten im Vergleich zum Vorjahr in kürzerer Zerledigt werden. Statt in durchschnittlich 5,1 Monaten (2020) waren die Verfahren in 4,2 Monaten abgeschlossen. 95,1% der Verfahren sind innerhalb eines Jahres, 73,9% der Verfahren sogar innerhalb von sechs Monaten beendet worden. Bei Nichtzulassungsbeschwerden muss geprüft werden, ob die Entscheidung des LSG, die Revision nicht zuzulassen, zu korrigieren ist, weil eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gegeben ist, das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) abweicht oder ein Mangel des gerichtlichen Verfahrens vorliegt. Diese Zulassungsgründe müssen von einem Prozessvertreter form- und fristgerecht geltend gemacht werden.
7. Bestandsentwicklung
Aufgrund des Zugangs von 2 221 Revisionen, Nichtzulassungsbeschwerden und Anhörungsrügen und der Erledigung von insgesamt 2 340 Verfahren, hat sich der Gesamtbestand am Jahresende gegenüber dem Jahresanfang um 12,2% verringert.
8. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Unter www.bundessozialgericht.de informiert das BSG unter dem Navigationspunkt „Presse/Verhandlungstermine“ über sämtliche bevorstehende und getroffene Entscheidungen, geordnet nach Senaten. Gleichzeitig ist unter der Rubrik „Verfahren/Anhängige Rechtsfragen“ erkennbar, mit welchen Rechtsproblemen sich das BSG in absehbarer Zeit befassen wird.
2021 wurde mit insgesamt 45 Terminvorschauen angekündigt, wann Sitzungen stattfinden und über welche Sachverhalte zu entscheiden ist. Über die jeweiligen Ergebnisse der Verhandlungen berichteten die Senate in Terminberichten.
Ergänzend weist das BSG – speziell für Medienschaffende – mit Pressemitteilungen auf anstehende und besonders bedeutsame Entscheidungen hin. Die Pressemitteilungen enthalten Hinweise auf den jeweiligen Sachverhalt, die Rechtslage und die praktische Relevanz des Falls. Im Anschluss wird in einer weiteren Pressemitteilung über den Ausgang dieser Verfahren berichtet.
Ziel der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des BSG ist es den Medien und der allgemeinen Öffentlichkeit die Rechtsprechung zu vermitteln. Hierzu umfasst die Rechtsprechungsübersicht eine von den Senaten des BSG zusammengestellte Auswahl wichtiger Entscheidungen des Jahres 2021.
9. Wichtige Ereignisse
Die Senate des BSG verhandeln 2021 immer öfter digital. Dank moderner Videokonferenztechnik können sich Beteiligte und ihre Bevollmächtigten während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufhalten und von dort Verfahrenshandlungen vornehmen.
Der Präsident des BSG, Prof. Dr. Rainer Schlegel, berichtet am 9.2.2021 im Rahmen des Jahrespressegesprächs – pandemiebedingt im Online-Format – über die Tätigkeit des BSG im vergangenen Jahr. Er weist auf die große Bedeutung eines stabilen Sozialsystems insbesondere in Zeiten der Pandemie hin.
Vom 1.5.2021 an werden die Prozessakten der neu eingehenden Verfahren des 1. und 12. Senats ausschließlich elektronisch geführt.
Nach pandemiebedingter Schließung ist die Bibliothek des BSG wieder nach Voranmeldung für externe Nutzerinnen und Nutzer geöffnet.
Mit Ablauf des 30.6.2021 wird der für die gesetzliche RV zuständige 13. Senat geschlossen. Die dort anhängigen Verfahren gehen auf den 5. Senat über.
Am 21.9.2021 besucht der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zusammen mit seiner Frau Elke Büdenbender das BSG.
Referate, Diskussionen und ein Erfahrungsaustausch stehen im Zentrum des 9.Tages der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter des BSG, der am 26. und 27.10.2021 im Elisabeth-Selbert-Saal des obersten deutschen Sozialgerichts stattfindet.
Pandemiebedingt finden am 16. und 17.11.2021 zur 53. Richterwoche des BSG ausschließlich Online-Arbeitsgemeinschaften statt.